Helle Barden
Unterschied?« fragte er.
»Hört mal…«, begann Kreuz. »Das mit der… Bettlerin tut mir leid. Es war ein Unfall. Ich wollte nur… Es gibt Beweise! Eindeutige Beweise…«
Kreuz schenkte den beiden Wächtern kaum mehr Beachtung. Er nahm einen Lederbeutel vom Tisch und winkte damit.
»Hier drin! Es ist alles hier drin, Sire! Beweise! Der dumme Edward glaubte, es ginge nur um Kronen und Zeremonien. Er begriff überhaupt nicht, was er gefunden hatte! Und dann, in der vergangenen Nacht, wurde mir plötzlich klar…«
»Ich bin nicht interessiert«, murmelte Mumm.
»Die Stadt braucht einen König!«
»Sie braucht keine Mörder«, sagte Karotte.
»Aber…«
Kreuz sprang vor und griff nach dem Gfähr.
Mumm hatte versucht seine Gedanken zu ordnen, dann wieder flohen sie in einen entlegenen Winkel seines Bewußtseins. Er blickte in die Mündung des Gfährs. Das Ding schien zu grinsen.
Kreuz sackte an der Säule in sich zusammen, doch die Waffe blieb weiter auf den Hauptmann gerichtet. Sie zielte
von ganz allein
auf ihn.
»Die Beweise lassen nicht den geringsten Zweifel, Sire. Alles ist niedergeschrieben.
Alles.
Muttermale, Prophezeiungen, Abstammung und so weiter. Selbst das Schwert wird erwähnt.
Dein
Schwert!«
»Im Ernst?« entgegnete Karotte. »Darf ich mal sehen?«
Karotte ließ das Schwert sinken, und Mumm beobachtete entsetzt, wie er zum Schreibtisch ging und dort die Dokumente aus dem Beutel zog. Kreuz nickte anerkennend, als sei er zufrieden mit einem Schüler.
Karotte las die erste Seite und wandte sich der nächsten zu.
»Das ist
wirklich
interessant«, sagte er.
»Ja«, bestätigte Kreuz. »Und jetzt müssen wir diesen lästigen Wächter aus dem Weg schaffen.«
Mumm glaubte, bis zum Anfang des Laufs sehen zu können, bis zu dem Bleiklumpen, der ihm gleich entgegenspringen würde…
»Schade«, meinte Kreuz. »Wenn du doch nur…«
Karotte trat vor das Gfähr, und sein Arm bewegte sich so schnell, daß er kaum zu erkennen war. Es blieb fast völlig still.
Man sollte immer einem Bösen ausgeliefert sein, dachte Mumm. Denn der Gute tilgt das Leben, ohne ein Wort zu verlieren.
Kreuz sah nach unten. Blut zeigte sich auf seinem Hemd. Er tastete nach dem aus seiner Brust ragenden Schwertheft, hob dann den Kopf und blickte in Karottes Augen.
»Warum? Du hättest…«
Er starb. Das Gfähr rutschte ihm aus den Händen und schoß, doch das tödliche Metall bohrte sich in den Boden.
Es war still.
Karotte griff nach dem Schwert und zog die Klinge aus dem erschlafften Leib. Die Leiche sank zu Boden.
Mumm stützte sich am Tisch ab und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
»Verdammter… Mistkerl«, keuchte er. »Er hat dich…
Sire
genannt. Was ist in dem Beutel?«
»Du bist spät dran, Hauptmann«, sagte Karotte.
»Spät? Was soll das heißen?« Mumm mußte sich bemühen, sein Gehirn daran zu hindern, endgültig von der Realität Abschied zu nehmen.
»Die Trauung.« Karotte warf einen kurzen Blick auf die Taschenuhr, klappte sie zu und reichte sie Mumm. »Sie hätte vor zwei Minuten stattfinden sollen.«
»Ja, ja. Aber er hat dich
Sire
genannt. Ich hab’s deutlich gehört…«
»Vermutlich eine akustische Täuschung.«
Dem Hauptmann fiel etwas ein. Karottes Schwert maß mehr als sechzig Zentimeter. Es hatte Kreuz glatt durchstoßen, und
hinter
ihm…
Mumm betrachtete die Säule. Sie bestand aus Granit und war etwa dreißig Zentimeter dick. Es war kein Riß darin, nur ein klingenförmiges Loch.
»Karotte…«
»Du bist ziemlich schmutzig, Herr«, sagte der junge Korporal. »Du solltest dich waschen und die Kleidung wechseln.«
Karotte nahm den Lederbeutel und streifte sich den Riemen über die Schulter.
»
Karotte…
«
»Herr?«
»Ich
befehle
dir, mir den Beu…«
»Nein, Herr. Du kannst mir nichts befehlen. Nichts für ungut: Du bist jetzt Zivilist und kein Offizier der Wache mehr. Ein neues Leben hat für dich begonnen.«
»Ein
Zivilist
?«
Mumm rieb sich die Stirn. Dahinter traf jetzt alles zusammen: das Gfähr, die Kanalisation, Karotte und der Umstand, daß er nur mit Hilfe von Adrenalin durchgehalten hatte, wofür ihm nun die Rechnung präsentiert wurde (ohne daß er anschreiben lassen konnte). Er fühlte sich plötzlich wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich.
»
Dies
ist mein Leben, Karotte! Ich bin immer Wächter gewesen!«
»Du brauchst ein heißes Bad und was zu trinken, Herr«, erwiderte der Korporal. »Anschließend fühlst du dich bestimmt besser. Komm.«
Mumm
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