Helle Barden
mit dem Gesetz auf sich hatte.
Die Welt säubern…
Es wurde Mittag.
Die gesprungene Bronzeglocke der Lehrergilde begann zu läuten und hatte den Mittag sieben Schläge lang für sich allein, bevor die Uhr der Bäckergilde sie mit einem Spurt einholte.
Kreuz hob den Kopf und schob sich langsam zu einer der Steinsäulen, die Deckung und Schutz verhießen.
»Du kannst nicht auf mich schießen«, sagte er und beobachtete das Gfähr. »Ich kenne das Gesetz genausogut wie du. Du bist ein Wächter. Und Wächter dürfen niemanden kaltblütig erschießen.«
Mumm blickte über den Lauf.
Es war ganz einfach. Der Abzug kitzelte den Zeigefinger.
Eine dritte Glocke läutete.
»Du darfst mich nicht töten. Das Gesetz verbietet es. Und du bist ein Wächter«, betonte der Chefassassine noch einmal. Er befeuchtete seine trockenen Lippen.
Der Lauf sank ein wenig nach unten. Kreuz entspannte sich etwas.
»Ja, ich bin ein Wächter.«
Der Lauf kam wieder hoch und zielte auf die Stirn des Professors.
»Aber wenn die Glocken verstummen, bin ich kein Wächter mehr«, fügte Mumm hinzu.
Erschieß ihn! ERSCHIESS IHN!
Mumm schob sich den Kolben unter den Arm, damit er eine Hand frei hatte.
»Die Vorschriften müssen beachtet werden«, sagte er. »Das ist sehr wichtig. Ich möchte mir auf keinen Fall vorwerfen lassen, daß ich die Vorschriften mißachte.«
Er wandte den Blick nicht von Kreuz ab, als er die Dienstmarke von der Jacke löste. Sie glänzte noch immer, trotz des Schlamms. Er hatte sie häufig poliert. Als er sie jetzt drehte, reflektierte die Bronze das Licht.
Kreuz beobachtete das Objekt wie eine Katze.
Die Glocken läuteten inzwischen mit weniger Enthusiasmus. In den meisten Türmen war es bereits wieder still. Abgesehen vom Gong im Tempel der Geringen Götter bimmelte es nur noch in der Assassinengilde – deren Glocken waren traditionell spät dran.
Der Gong schwieg.
Der Professor legte die Armbrust langsam und vorsichtig auf den Schreibtisch.
»Siehst du? Ich bin nicht mehr bewaffnet!«
»Ja«, sagte Mumm. »Und ich möchte dafür sorgen, daß du dich nie wieder bewaffnen kannst.«
Die letzte schwarze Glocke der Assassinengilde läutete den Mittag ein.
Die anschließende Lautlosigkeit wirkte fast wie ein Donnerschlag.
Mumms Dienstmarke fiel auf den Boden und verursachte ein metallenes Scheppern, das die Stille bis zum Rand füllte.
Er hob das Gfähr und ließ zu, daß sich seine Hand langsam entspannte.
Erneut erklang eine Glocke.
Sie läutete eine leise, blecherne Melodie, die man nur deshalb hörte, weil keine anderen Geräusche die Aufmerksamkeit beanspruchten.
Kling, bing, a-bing, bong…
Das Läuten kam von einem Mechanismus, der die Zeit viel genauer anzeigte als Stundengläser, Wasseruhren und Pendel.
»Leg das Gfähr beiseite, Hauptmann«, sagte Karotte, die letzten Stufen der Treppe hinter sich bringend.
Er hielt das Schwert in der einen Hand und die Taschenuhr in der anderen.
…
bing, bing, a-bing, kling…
Mumm rührte sich nicht.
»Leg das Gfähr beiseite, Hauptmann«, wiederholte Karotte. »Leg es weg.«
»Ich habe genug Geduld, um abzuwarten, bis auch dieses Läuten verstummt ist«, erwiderte Mumm.
…
a-bing, a-bing…
»Ich kann es nicht zulassen, Hauptmann. Es wäre Mord.«
…
klong, a-bing
…
»Du willst mich daran hindern zu schießen?«
»Ja.«
…
bing… bing…
Mumm drehte den Kopf.
»Er hat Angua umgebracht. Bedeutet dir das überhaupt nichts?«
…
bing… bing… bing… bing…
Karotte nickte.
»Doch, Hauptmann. Aber zwischen ›persönlich‹ und ›wichtig‹ gibt es einen Unterschied.«
Mumm blickte an seinem Arm entlang. Das von Angst und Schrecken gezeichnete Gesicht des obersten Assassinen drehte sich vor dem Lauf des Gfährs.
…
bing… bing… bing… bing… bing…
»Hauptmann Mumm?«
…
bing…
»Hauptmann? Dienstmarke Nummer 177, Hauptmann. Sie wurde noch nie beschädigt.«
Die im Arm pulsierende Leidenschaft des Gfährs begegnete nun einem Heer aus sturen, eigensinnigen Mumms.
»Leg das Gfähr beiseite, Hauptmann«, sagte Karotte wie zu einem Kind. »Du brauchst es überhaupt nicht.«
Mumm starrte auf das Objekt in seinen Händen. Die fremde Stimme war jetzt viel leiser.
»Weg mit dem Ding, Wächter! Das ist ein Befehl!«
Das Gfähr fiel auf den Boden. Mumm salutierte – und wurde sich erst dann seiner Reaktion bewußt. Er sah Karotte an und blinzelte.
»Zwischen ›persönlich‹ und
›wichtig‹
gibt es einen
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