Helle Barden
Antworten. Nein, sie hatte die Werkstatt abgeschlossen und den Schlüssel verlegt. Danke.
Er wollte möglichst diskret darauf hinweisen, daß die Wache einen Marsch zum Steinbruchweg mißbilligen würde (vermutlich aus sicherer Entfernung). Doch er brachte es einfach nicht fertig, eine solche Mahnung zu formulieren. Deshalb blieben folgende Worte unausgesprochen: »Nehmt das Gesetz nicht in eure eigenen Hände. Die Wache ist dem Verbrecher dicht auf den Fersen.« Die bittere Wahrheit war, daß es nicht den geringsten Hinweis auf die Identität des Übeltäters gab. Mumm fragte auch nicht: »Hatte dein Mann Feinde, Frau Hammerhock? Sicher, jemand hat ein ziemlich großes Loch in seiner Brust hinterlassen. Aber hatte er
sonst
noch Feinde?«
Mit möglichst viel Würde (davon war nicht viel übrig) verabschiedete er sich schließlich und führte dann einen kurzen inneren Kampf, den sein Gewissen verlor: Er nahm die Flasche mit Bärdrückers Leckertropfen und wanderte durch die Nacht.
Karotte und Angua erreichten das Ende der Schimmerstraße.
»Wo wohnst du?« fragte der junge Mann.
»Dort drüben.« Angua streckte kurz den Arm aus.
»In der Ulmenstraße? Etwa bei
Frau Kuchen
?«
»Ich habe ein sauberes Zimmer gesucht, das nur wenig Miete kostet. Ist mit Frau Kuchens Pension irgend etwas nicht in Ordnung?«
»Nun, ich meine, Frau Kuchen ist… eine liebenswürdige Frau, gegen die niemand etwas haben kann, aber… nun, dir ist sicher aufgefallen…«
»Was?«
»Nun, sie ist… äh… nicht sehr…
wählerisch…
«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Ich nehme an, du bist den anderen Mietern begegnet. Wohnt Reg Schuh noch bei Frau Kuchen?«
»Oh«, sagte Angua. »Du meinst den Zombie.«
»Und auf dem Dachboden haust ein Banshee.«
»Herr Ixolit. Ja.«
»Dann wäre da noch Frau Drull.«
»Die Ghulin. Aber sie ist inzwischen im Ruhestand. Sie sorgt jetzt bei Kindergeburtstagen für Speisen und Getränke.«
»Ich meine, erscheint dir die Pension nicht ein wenig seltsam?«
»Die Miete ist nicht zu hoch, und es ist kein Ungeziefer in den Betten.«
»Weil nie jemand in ihnen schläft.«
»Ich mußte nehmen, was ich
kriegen
konnte!«
»Entschuldigung. Ich weiß, wie das ist. Mir ging’s ähnlich, als ich nach Ankh-Morpork kam. Nun, ich rate dir, möglichst bald nach einer Unterkunft zu suchen, die… äh… für eine junge Frau wie dich besser geeignet ist. Wenn du verstehst, was ich meine.«
»Nein, ich verstehe
nicht,
was du meinst. Herr Schuh wollte sogar mein Gepäck nach oben tragen. Wenig später mußte ich ihm seine Arme bringen. Der arme Kerl: Dauernd fällt irgend etwas von ihm ab.«
»Aber Herr Schuh und die anderen… Sie sind nicht wie wir«, sagte Karotte verzweifelt. »Versteh mich nicht falsch. Ich meine… Zwerge? Einige meiner besten Freunde sind Zwerge. Sogar meine
Eltern
sind Zwerge. Und Trolle? Ich habe überhaupt keine Probleme mit Trollen. Sie sind das Salz der Erde, im wahrsten Sinne des Wortes. Wundervolle Burschen unter ihrer dicken Kruste. Aber Untote… Ich wünsche mir nur, daß sie dorthin zurückkehren, woher sie kommen, das ist alles.«
»Die meisten kamen von hier.«
»Sie gefallen mir einfach nicht. Tut mir leid.«
»Ich muß jetzt gehen«, sagte Angua kühl. Sie verharrte im dunklen Zugang zu einer Gasse.
»Äh, ja, gut«, erwiderte Karotte. »Wann sehen wir uns wieder?«
»Morgen. Wir sind beide bei der Wache, erinnerst du dich?«
»Und wenn wir dienstfrei haben? Vielleicht könnten wir dann…«
»Es wird jetzt höchste Zeit für mich!«
Angua drehte sich um und lief. Der Hof des Monds zeichnete sich bereits über den Dächern der Unsichtbaren Universität ab.
»Na schön, gut, bis morgen also!« rief Karotte ihr nach.
Angua fühlte, wie die Welt um sie herum erbebte, als sie durch die Schatten wankte. Sie hätte nicht so lange warten dürfen!
Sie stolperte auf eine Querstraße, begegnete dort mehreren erstaunten Passanten und setzte ihren Weg zur nächsten dunklen Gasse fort. Instinktiv tastete sie nach ihrer Kleidung, die sich immer mehr wie ein Fremdkörper anfühlte.
Ein gewisser Bundo Prung sah sie. Er war erst vor kurzer Zeit aus der Diebesgilde verstoßen worden, weil er zuviel Begeisterung gezeigt und sich für Straßenräuber ungebührlich verhalten hatte. Eine hilflose Frau, allein in einer dunklen Gasse… davon fühlte er sich nicht überfordert.
Er sah sich um und folgte ihr.
Daran schloß sich für fünf Sekunden
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