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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Institute der Narren und Assassinen gibt’s erst seit recht kurzer Zeit. Doch die Bettlergilde ist bereits viele Jahrhunderte alt.«
    »Im Ernst?« erwiderte Angua müde. In der letzten Stunde hatte sie mehr über Ankh-Morpork erfahren, als eine normale, vernünftige Person wissen wollte. Sie ahnte, daß Karotte ihr den Hof machte. Doch er brachte ihr keine Blumen oder Pralinen; er bot ihr eine ganze Stadt als Geschenk dar.
    Sie spürte sogar Eifersucht in ihr erwachen. Eifersucht auf eine Stadt! Bei den Göttern! dachte sie. Ich kenne ihn doch erst seit einigen Tagen.
    Ankh-Morpork schien ein Teil von ihm zu sein. Sie rechnete fast damit, daß er jeden Augenblick ein Lied mit verdächtigen Reimen und Textpassagen singen würde wie zum Beispiel: »Meine Art von Stadt« oder »Ich möchte dazugehören«. Lieder, die Leute dazu veranlassen, spontan in den Straßen zu tanzen, mit einzustimmen und dem Sänger Äpfel zu reichen. In solchen Fällen zeigen gewöhnliche Mädchen plötzlich erstaunliches choreographisches Geschick. Alle sind fröhlich und vergessen, daß die Natur sie in Wirklichkeit mit einem bösen, gemeinen, egoistischen, hinterhältigen und rücksichtslosen Wesen ausgestattet hat. Wenn Karotte allerdings hier ein Lied gesungen hätte, wären die Leute
tatsächlich
bereit gewesen, mit einzustimmen. Selbst sonst völlig phlegmatische Markierungssteine hätten sich von Karotte dazu bewegen lassen, eine Rumba zu tanzen.
    »Auf dem Haupthof gibt es einige sehr interessante Statuen«, sagte er. »Darunter ein Bildnis des Bettlergottes Jimi. Ich zeig’s dir. Die Bettler haben bestimmt nichts dagegen.«
    Er klopfte an die Tür.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Angua.
    »Es macht mir keine Mühe…«
    Die Tür öffnete sich.
    Angua erzitterte innerlich, als ihr ein sonderbarer Geruch in die Nase stieg…
    Ein Bettler musterte Karotte und riß die Augen auf.
    »Du bist der Gebeugte Michael, nicht wahr?« fragte Karotte freundlich. Die Tür fiel wieder zu.
    »Das war nicht sehr höflich«, stellte Karotte fest.
    »Es stinkt, nich’ wahr?« erklang eine leise, spöttische Stimme hinter Angua. Zwar lag ihr immer noch nichts daran, Gaspode Aufmerksamkeit zu schenken, trotzdem nickte sie. Die Bettler verströmten eine Vielzahl verschiedener Gerüche, und der zweitstärkste kündete von Furcht. Der stärkste stammte von Blut. Bei diesem Geruch hätte Angua am liebsten geheult.
    Stimmen murmelten hinter der Tür. Kurze Zeit später öffnete sie sich erneut.
    Eine ganze Gruppe aus Bettlern stand auf der anderen Seite. Alle starrten Karotte an.
    »Na schön«, sagte der Gebeugte Michael. »Wir geben auf. Wie hast du’s herausgefunden?«
    »Wie haben wir was herausge…«, begann Karotte. Anguas Ellenbogen traf seine Rippen.
    »Hier wurde jemand getötet«, stellte sie fest.
    »Wer ist das?« fragte Gebeugter Michael.
    »Obergefreite Angua gehört zur Wache«, sagte Karotte.
    »Har, har«, kommentierte Gaspode.
    »Eins muß ich zugeben«, brummte Gebeugter Michael. »Ihr werdet immer besser. Wir haben die Leiche erst vor wenigen Minuten entdeckt.«
    Angua
spürte,
daß Karotte den Mund öffnen wollte, um zu fragen: »Welche Leiche.« Sie stieß ihn wieder an.
    »Bringt uns zum Ermordeten«, sagte sie.
    Wie sich herausstellte…
    … war es eine Ermordete. Sie lag auf dem Boden eines Zimmers im obersten Stock, umgeben von Lumpen.
    Angua kniete sich neben die Leiche. Diese Bezeichnung erschien ihr angemessen. Es war ein Leichnam, keine Person mehr. Eine Person hatte normalerweise mehr Kopf auf den Schultern.
    »Warum?« fragte sie. »Warum sollte jemand so etwas tun?«
    Karotte sah zu den Bettlern, die sich in der Tür drängten.
    »Wie heißt das Opfer?«
    »Nimmer Niedlich«, antwortete Gebeugter Michael. »Sie war nur die Zofe der Königin Molly.«
    Angua blickte zu Karotte.
    »Königin?«
    »Das Oberhaupt einer Bettlergemeinschaft wird manchmal König oder Königin genannt«, erklärte der junge Mann. Er atmete schwer.
    Angua bedeckte die Leiche mit dem Samtmantel der Zofe.
    »Nur die Zofe«, murmelte sie.
    Mitten auf dem Boden lag der Rahmen eines großen Spiegels. Überall waren Glassplitter wie Pailletten verstreut.
    Auch eine Fensterscheibe war zerbrochen. In einer kleinen Mulde am Boden lag ein Gegenstand aus Metall.
    »Gebeugter Michael, ich brauche einen Nagel und eine Schnur«, sagte Karotte langsam und betonte jede einzelne Silbe. Sein Blick blieb dabei auf das Stück Metall gerichtet – er schien zu

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