Hello Kitty muss sterben
schleudern sie an Land. Dann wissen alle Bescheid.
In Seans Fall geriet alles nach der Entdeckung von Carolines Leiche aus den Fugen.
Caroline Derby, Single, reich, weiß, jung. Jetzt zu hübsch und zu tot. Die letzte Nacht ihres Lebens brachte sie damit zu, von einer Bar zur nächsten zu ziehen in der Hoffnung, bei einem oder zwei Bellinis ihren Seelengefährten zu finden. Stattdessen fand sie den Tod, nachdem sie mit einem attraktiven weißen Mann mitgegangen war, der laut etlicher betrunkener Augenzeugen starke Ähnlichkeit mit Pierce Brosnan, Brad Pitt und Benicio Del Toro hatte.
Viel Glück mit dieser Beschreibung, San Francisco Police Department!
Doch die Medien waren fasziniert von dem toten Mädchen mit den hübschen Wangenknochen und den dunkelblonden Haaren. Die tote Barbie, die wie Tang angespült wurde, war definitiv nachrichtentauglich. Folglich brach ten die Medien etwa ein Dutzend Geschichten, in denen junge Frauen vor Flunies gewarnt wurden und davor, allein Bars zu besuchen.
Dank Caroline blieben die ganzen jungen Frauen zu Hause.
Seans Jagdausflüge in die stinkvornehmen Bars erlebten eine Auszeit, also unternahmen wir stattdessen eine lange nächtliche Fahrt durch verschiedene Stadtteile.
Wir fuhren nach Tenderloin, San Franciscos Rotlichtbezirk, und musterten die Damen der Nacht in ihren Vinylminiröcken, Netzstrümpfen, Plateaustöckelschuhen, Stolen aus Kunstpelz und mit ihrem billigen Make-up. Alle strahlten sie Sexappeal aus.
Ich überprüfte noch einmal, dass die Beifahrertür richtig abgesperrt war, indem ich sie mit dem Knopf an der Armlehne von Seans Mercedes ent- und wieder verriegelte.
»Keine Sorge, Fi. Du bist sicher«, sagte Sean, ohne herüberzusehen.
Trotz der zweifelhaften Gegend fühlte sich ein Teil von mir immer dann am sichersten, wenn ich mit Sean zusammen war. Vielleicht war das der Grund, weshalb ich einwilligte, ihn in die Bars zu begleiten. Und weshalb ich mit ihm im Wagen saß. Niemand würde es wagen, mich irgendwo zu kitzeln. Nicht, solange Sean in der Nähe war.
»Sean, gehen wir im Big Four etwas trinken.«
»Im Big Four?«
»Bar im Huntington Hotel für alte, reiche Käuze.«
»Ich weiß, wo es ist, Fi. Es hat mich nur überrascht, dass du diesen Laden vorschlägst.«
»Er ist nett, ruhig und voller reicher Weißer. Und sicher.«
»Ach, du weißt doch, dass du bei mir sicher bist. Ich bringe dich nach Hause, nachdem du deinen Part gespielt hast.«
Er hatte recht. »Meinen Part?«
»Mach dir nicht in die Hose. Du bist eine Amöbe, das weiß ich. Ich möchte nur, dass du mir bei der Auswahl behilflich bist.«
»Verstehe.«
Manche Serienmörder töten, um die Welt von ihren Übeln zu befreien. Sie entsorgen Abschaum wie Dealer, Zuhälter, Kinderschänder. Leute, deren eigene Verworfenheit sie bereits zu einem frühen Tod verdammt hat.
Alle Macht diesen selbst ernannten Hütern der Moral.
Doch Sean hatte es jetzt auf Prostituierte abgesehen, weil sein Angebot an noblen, versnobten Frauen dank Caroline Derby versiegt war.
»Du brauchst mich nicht, Sean.«
»Nein, aber so macht es mehr Spaß. Uns beiden.«
Seans Glückssträhne mochte vorüber sein, doch er hatte immer noch recht. Es macht immer mehr Spaß, Dinge gemeinsam mit einem Freund zu unternehmen.
Mir fiel ein großes schwarzes Mädchen mit Tina-Turner-Haaren auf, das ein rotes Lycraoberteil mit tiefem Coeur- Dekolleté trug. Minirock mit silbernen Pailletten. Keine Strumpfhose. Für leichteren Zugriff. Und rote Lacklederstöckelschuhe.
»Das ist meine Ecke, hey! Verschwinde zum Teufel noch mal von meiner Ecke!«, schrie sie ein anderes Mädchen an, das zu Tode erschrocken aussah. Sie schwang ihre Handtasche in Richtung der Konkurrenz. Schließlich lief das andere Mädchen weg.
»Die da«, sagte ich, als wir an ihrer Ecke vorbeifuhren.
»Warum?«
»Du weißt, warum.« Weil sie sowohl eine Sexbombe als auch eine Tyrannin ist.
Sean warf einen Blick hinüber und nickte zustimmend.
»Sehr gut, Fi. Jetzt such noch eine aus.«
»Was?«
»Eine zweite.«
»Sean, immer mit der Ruhe.«
»Du bist eine Spielverderberin. Okay, nach Hause mit dir. Es ist gut, dass du ganz in der Nähe wohnst.«
Das tue ich. Ich wohne zusammen mit meinen Eltern in einer riesigen, komfortablen Wohnung in Nob Hill, im Grunde zu einem Bruchteil der marktüblichen Miete, dank Mietpreisbindung.
Sean setzte mich ab und raste zurück nach Tenderloin. Als ich zusah, wie seine roten Rücklichter in die dunkle Nacht
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