Hello Kitty muss sterben
verschwanden, machte sich ein flaues Gefühl in meinem Magen breit.
Übersteigertes Selbstbewusstsein, sich übernehmende Arroganz, Stolz, die Weigerung, auf Warnungen zu achten. Deshalb stürzte Ikarus ab.
Ich redete mir ein, dass Sean klarkäme. Niemand war cleverer, umsichtiger, berechnender als er. Er würde schon zurechtkommen.
Zu Hause gab es ein neues Problem.
»Das ist schrecklich. Warum sollte sie ihn darum bitten, so etwas zu tun?«, sagte meine Mutter, als ich durch die Tür kam.
Meine Eltern saßen dicht aneinandergedrängt am Esstisch, tief im Gespräch. Mein Vater drehte sich zu mir um.
»Wer tut was, Mom?«
»Deine Cousine Katie. Die in L. A. wohnt.«
»Ja, ich erinnere mich an Katie.« Katie, die mir riet, das Gesicht zu bleichen und abzunehmen. Katie, die mit ihrem jungen chinesischen Ehemann vor mir prahlte, als ich sie das letzte Mal besuchte. »Was ist mit ihr?«
»Sie will keine Kinder haben.«
»Dann ist Katie also doch gar nicht so blöd.«
»Fiona, ich meine es ernst. Sie will, dass Peter unfähig ist, Kinder zu kriegen.«
»Sie will, dass er sich operieren lässt«, stellte mein Vater klar.
Schnipp-schnapp. Armer Peter. Er hatte wohl nicht viel übrig für die Vorstellung, sich kastrieren zu lassen. »Sagt ihnen einfach, sie sollen sich einen Vorrat an Gummis zulegen.«
»Fiona! Sei nicht geschmacklos!«, sagte meine Mutter.
»Bin ich nicht. Ich bin pragmatisch.«
»Wir begreifen nicht, warum sie keine Kinder will. Katie ist Chinesin. In Hongkong geboren. Ich begreife nicht, warum sie ihn bitten sollte, so etwas zu tun. Er ist so ein netter Junge«, jammerte meine Mutter.
Weil Katie eine Kostprobe von Amerika gehabt hat.
Weil sie ihr Leben so mag, wie es ist, und nicht will, dass es sich ändert. Hello Kitty wollte kein kleines Kätzchen, das ihre festen Titten in schwingende Pendel verwandelte.
Ich verstand die Verwirrung meiner Mutter. Chinesen lieben Kinder. Schließlich ist das der Grund, warum sie überall auf der Tagesdecke des Hochzeitsbettes Erdnüsse verteilen. So viele Nachkommen, wie Erdnüsse vorhanden sind. Und das kantonesische Wort für »Erdnüsse« klingt sogar wie das Wort für »gebären«.
Kinder sind wunderbar. Besonders männliche Kinder. Söhne, Söhne, Söhne. Obwohl es keine Söhne ohne Töchter geben kann, zieht jeder trotzdem Söhne vor. Sie denken nicht darüber nach, wen ihre Söhne heiraten sollen, wenn sie einmal groß sind.
Gehirnakrobatik.
Manche Sitten schreiben vor, dass eine Ehefrau nicht mit der Familie am Esstisch zu Abend essen darf, wenn sie nicht einen Sohn zur Welt gebracht hat. Sie hat sich nicht als würdig erwiesen.
»Mom, Dad, es ist ganz einfach. Katie steht kurz davor, sich von Peter scheiden zu lassen.«
»Das ist lächerlich. Scheidung! Sprich das noch nicht einmal aus.«
»Machen wir uns nichts vor. Peter hat eine Greencard gebraucht. Katie wollte das Geld. Das ist der einzige Grund, weshalb er sich Katies Mist hat bieten lassen. Und warum sie sich den seinen hat bieten lassen. Sie wird nicht ewig mit ihm verheiratet bleiben.«
»Katie ist ein braves Mädchen. Sie will Kinder.«
Nein, will sie nicht. Sie will Peter unters Messer schicken. Weil sie weiß, dass Kinder sie bloß für immer an ihn ketten würden.
Ich mochte Peter noch nie. Ich hielt ihn für wenig besser als eine Greencard-Hure, was er im Grunde war. Seine Familie zahlte Katies Mom vierzigtausend Dollar, damit sie ihn ein Semester lang beherbergte, als er von der UC Berkeley angenommen wurde. Das war jedenfalls ihre Version.
Ich mochte Katie noch nie. Ich hielt sie für wenig besser als eine Geld-Hure, was sie im Grunde war. Eine Geld-Hure, die von Hautaufhellern und Diätpillen besessen war.
Ein paar Monate später heirateten Peter und Katie in einer Hochzeitskapelle in Las Vegas. Keine missmutigen Brautjungfern. Keine Feier. Keine dreistöckige Hochzeitstorte. Kein Verlobungsring. Doch Katie bekam einen brandneuen Achtzigtausend-Dollar-Lexus.
Nachdem ich etwas Zeit mit den Jungvermählten verbracht hatte, taten sie mir im Grunde beide leid. Mir wurde klar, dass sie einander ertragen mussten.
»Was macht ihr beiden denn so an den Wochenenden?«, fragte ich Peter eines Nachmittags, als Katie gerade unterwegs war.
»Wir gehen bei Target einkaufen, putzen das Apartment, gehen in der Stadt shoppen. All so was.«
»Warum macht ihr keinen gemeinsamen romantischen Urlaub?«
»Kein Geld. Katie ist allein nach Europa gefahren.«
»Was?«
»Wir hatten
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