Hello Kitty muss sterben
Unnatürliches. Beinahe, als ließe man nachts bei Regen einen Drachen steigen. Also musste ich selbstverständlich mit.
»Darf es noch etwas sein, Miss?«
»Ja, ein starker Kaffee.«
Was auch immer Sean vorhaben mochte, ich wollte einen klaren Kopf haben und wach sein für den Fall, dass es nötig sein sollte. Die Kellnerin brachte mir Kaffee. Ich trank ihn schwarz in raschen kleinen Schlucken und hoffte, so viel Koffein wie möglich in mich hineinzubekommen, bevor Sean auftauchte.
Wir fuhren zum South Beach Harbor. Er war menschenleer. Doch neben Sean kannte ich keine Furcht. Nichts fühlt sich sicherer an, als mit dem gefährlichsten Mann der Stadt herumzulaufen.
»Es ist eine ruhige Nacht, Fi. Hab mir gedacht, du hättest vielleicht Lust auf eine mitternächtliche Segelpartie.«
»Solange du uns nicht unter eine Brücke steuerst.«
Sean lachte.
Als wir am Ghirardelli Square vorübersegelten, überließ er mir die Ruderpinne. Am Ghirardelli Square gibt es die Ghirardelli Chocolate Factory und den Ghirardelli Soda Fountain & Chocolate Shop, der für seine weltbekannten Eisbecher berühmt ist, die ich nie probiert habe, wie so viele Einwohner in dem Glauben, ich könne das jederzeit noch tun. Aber Touristen suchen den Laden am Fisherman’s Wharf scharenweise heim.
»Ist der Ghirardelli Square nachts nicht eindrucksvoll?«, fragte Sean mit funkelnden Augen.
»Ich habe ihn noch nie zuvor so schön gesehen. Ich kann den Blick gar nicht davon losreißen.«
Und das tat ich auch nicht.
Ich hielt den Blick stur auf die glitzernden Lichter des Kais gerichtet, die dunklen Umrisse der Häuser, Bäume, Autos unter dem gewaltigen Ghirardelli-Schriftzug, während Sean in den Schatten hinter mir herumschlurfte. Er bewegte Gegenstände steuerbord, verborgen durch das Hauptsegel.
Platsch.
Sean hatte etwas über die Bootsseite geschubst.
Ich achtete nicht auf das Geräusch. »Bist du je in dem Restaurant oben am Ghirardelli Square gewesen, Sean?«
»Nein, ist es gut?«
Platsch.
»Erinnerst du dich noch an Laurie aus meiner alten Kanzlei? Sie hat gesagt, dass es in dem Laden die besten Erdbeermilkshakes gibt.«
»Magst du Milkshakes, Fi?«
Sean trat mit dem Fuß gegen etwas. Es drehte sich herum und fiel ins Wasser. Platsch.
»Nein, ich hasse Milkshakes. Es ist, als würde man Rotze trinken. Erdbeer ist am schlimmsten. Das ist Rotze mit Kinderhustensaftgeschmack.«
Er lachte. »Dann gehen wir nicht in das Restaurant.«
»Sean, ich habe Hunger. Ich habe zu viel Wein im Big Four getrunken. Ich brauche etwas zu essen.«
»Was hat um die Uhrzeit geöffnet?«
»Restaurants in Chinatown. Ich kenne ein tolles.«
»Cool. Mir wird allmählich sowieso kalt. Kehren wir um und fahren wir zum Hafen zurück.«
Und das taten wir auch.
Durchfroren und durchnässt trafen wir im Yuet Lee ein, einem billigen Fischrestaurant in Chinatown, das bis spätnachts geöffnet war.
Ich bestellte Congee, eine chinesische Frühstücksreis suppe. Diesen würzigen Reisbrei gibt es nicht nur zum Frühstück. Er ist ideal als mitternächtlicher Snack und um eine Erkältung auszukurieren. Es ist unsere Version von Hühnersuppe. Es ist Seelennahrung, besonders, wenn man ein wenig Schweinefleisch, Meeresfrüchte und ein paar Scheiben eingemachtes Ei beimischt.
Eine sättigende Mahlzeit nach einer anstrengenden Nacht, in der man Gottes Werk verrichtet hat.
»Und wie sehen deine Urlaubspläne aus, Fi?«
»Tja, nächste Woche findet Katies Beerdigung in L. A. statt. Dann bleibe ich vielleicht noch dort, um zu sehen, was mit dem armen Peter geschieht.«
»Klingt lustig. Aber wer wird sich um deinen Vogel kümmern?«
Wenn ich zu lange von Pepito wegblieb, würde er mich zur Strafe mit seinen Donuts füttern. Oder noch schlimmer, er würde vor lauter Vernachlässigung sterben. »Scheiße. Egal. Fahre ich eben bloß zur Beerdigung. Wie ich meine Tante kenne, wird es sich um eine handfeste chinesische Veranstaltung handeln. Mit anderen Worten: Es wird beschissen sein.«
»Servieren sie denn nicht Pekingente oder Haifischflossensuppe beim Leichenschmaus?«
»Schön wär’s. Es gibt billigen chinesischen Fraß.«
»Vielleicht hast du Glück und sie ziehen es amerikanisch auf.«
Ich kam spät nach Hause. Meine Eltern hatten mir das Licht im Korridor angelassen. Ich liebe sie.
»Möchtest du heißes Wasser?«, fragte meine Mutter. Sie hatte mich hereinkommen gehört.
Gekochtes Wasser. Gesundes abgekochtes Wasser nur mit toten
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