Hell's Angels (German Edition)
seine Leute rüber, die Kutten einzusammeln. Die Frisco-Angels rückten sie nicht raus, waren aber bald entnervt angesichts der tollwütigen
Überfälle aus Oakland. »Mann, wir haben einfach nur drüben in der Kneipe gehockt«, erzählte einer, »haben da Billard gespielt und ’n paar Bier gezischt, und mit einem Mal fliegt die Tür auf, und da sind sie, mit Ketten und allem.
Das haben wir ihnen dann aber schließlich doch heimgezahlt. Wir sind rüber zu ihrem Treff und haben eine ihrer Maschinen abgefackelt. Das hättest du mal sehen sollen – wir haben sie mitten auf der Straße in Brand gesteckt, Mann, und dann sind wir rein in ihren Laden und haben sie plattgemacht. Das war echt der Hammer! Mann, ich sage dir, aus denen haben wir Hackfleisch gemacht.«
Das war im Dezember. Es folgten noch zwei ruhige Monate – und dann kam der Bericht des Generalstaatsanwalts, kam die landesweite Hetze. Schlagartig änderte sich das Bild. Am einen Tag waren sie noch eine Pennerbande gewesen, die gerade mal so über die Runden kam – und vierundzwanzig Stunden später hatten sie es mit Reportern, Fotografen, freien Journalisten und allen möglichen Gaunern aus dem Showgeschäft zu tun, die ihnen das große Geld versprachen. Mitte 1965 galten sie bereits allgemein als der Schrecken der Nation.
Außer dass hunderte Zeitungs- und ein halbes Dutzend Zeitschriftenartikel über sie geschrieben wurden, posierten sie auch noch für Fernsehkameras und standen in Radiosendungen Anrufern Rede und Antwort. Sie gaben Presseerklärungen heraus, traten bei etlichen Kundgebungen auf und verhandelten mit Hollywood-Agenten und Zeitschriftenredakteuren. Mystiker und Dichter befassten sich mit ihnen, Studentenrebellen jubelten ihnen zu, und Liberale und Intellektuelle luden sie zu ihren Partys ein. Die ganze Sache war ausgesprochen bizarr und
hatte auf jene Hand voll Angels, die immer noch Colours trugen, eine nachhaltige Wirkung. Sie entwickelten Divenallüren und verlangten für Fotos und Interviews Barspenden (um das Finanzamt zu hintergehen). Die New York Times wurde von diesen Entwicklungen schwer getroffen, und in einem Bericht vom 2. Juli 1965 aus Los Angeles hieß es: »Ein Mann, der behauptet, ›Public-Relations-Beauftragter‹ der ... [Hell’s Angels] zu sein, ist mit dem Angebot an Nachrichtenmedien herangetreten, gegen Zahlung von 500 bis 1.000 Dollar die Erlaubnis zu fotografischer Berichterstattung über den an diesem Wochenende stattfindenden ›Rumble‹ zu erteilen. Außerdem bot er an, Interviews mit Clubmitgliedern zu arrangieren – für hundert Dollar pro Mann oder mehr, falls Fotos geschossen werden. Der Beauftragte sagte Reportern, es sei ›gefährlich‹, die Kneipe in San Bernardino aufzusuchen, in der sich die Gruppe regelmäßig trifft, ohne vorher für ›Schutz‹ bezahlt zu haben. Eine Zeitschrift, erzählte er, zahle 1.000 Dollar dafür, dass einer ihrer Fotografen die Gruppe an diesem Wochenende begleiten dürfe.«
Dieser Bericht war ein wildes Gemisch aus Tatsachen und blankem Unsinn, verschlimmert noch durch den Umstand, dass der Los-Angeles-Korrespondent der New York Times mittlerweile eine schwere Abneigung gegen alles hegte, was mit den Hell’s Angels zu tun hatte. Er hatte dafür gute Gründe; sie hatten gedroht, ihn zusammenzuschlagen, wenn er versuchen sollte, eine Geschichte über die Angels zu veröffentlichen, ohne zuvor dem Geldsäckel des Clubs eine Spende zukommen zu lassen. Kein Journalist lässt sich gern bei der Ausübung seiner Pflicht durch die Forderung nach Bestechungsgeldern aufhalten, und die normale Reaktion – zumindest wenn
man ein mythisch überhöhtes Bild vom Journalistenberuf hat – besteht darin, sich wie eine Bulldogge in die Geschichte zu verbeißen und sie um jeden Preis zu schreiben.
Die Reaktion der Times war subtiler. Sie versuchte die Bedeutung der Angels runterzuspielen und hoffte, sie würden sich dadurch in Luft auflösen. Das genaue Gegenteil geschah. Die Story hatte sich bereits verselbständigt, und die Monster, die die Times mit erschaffen hatte, kamen in Begleitung eines Presseagenten wieder und suchten sie heim. Da war eine Hand voll Outlaw-Biker, die nicht einmal in San Bernardino über irgendeinen Status verfügten, und die forderten 1.000 Dollar von jedem Journalisten, der sie ein einziges Wochenende lang begleiten wollte. Die meisten Angels betrachteten das als einen guten Gag, doch auch schon in diesem Stadium des Spiels gab es einige, die
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