Hell's Angels (German Edition)
sich, wenn sie Gleichgesinnte fanden. »Man konnte da zu jeder Tages- und Nachtzeit vorbeifahren«, erinnert sich Preetam, »und immer standen mindestens zehn Maschinen vor dem Laden. Am Wochenende waren es manchmal fünfzig oder sechzig. Und sogar damals schon war es ein Polizeiproblem. Händler haben sich beschwert, die Motorräder würden ihre Kundschaft daran hindern, vor den Läden zu parken.«
Die Market Street Commandos machten ungefähr ein Jahr lang so weiter, ohne groß aufzufallen. Dann, Anfang 1954, kam The Wild One ins Kino, und die Dinge änderten sich. »Wir gingen ins Fox Theatre in der Market Street«, erzählt Preetam. »Wir waren ungefähr fünfzig Mann, hatten Weinflaschen dabei und unsere schwarzen Lederjacken an. Wir haben uns oben auf den Balkon gesetzt, Zigarren geraucht, Wein getrunken und rumgebrüllt wie die Idioten. Wir sahen uns alle selbst da auf der Leinwand. Wir waren alle Marlon Brando. Ich glaube, den Film habe ich mir vier oder fünf Mal angesehen.«
Die Commandos waren immer noch im Banne des Wild One , als die zweite Neue Welle heranbrandete – in
Gestalt des wilden Propheten Rocky, des Messias, der die Botschaft aus dem Süden brachte. Zehn Jahre später schilderte Birney Jarvis, Polizeireporter des San Francisco Chronicle und ehemaliger Hell’s Angel, in einem Artikel 14 den Augenblick der Wahrheit:
Eines heißen Sommertages im Jahre 1954 brachte ein gebräunter, gut aussehender Teufelskerl, der einen Spitzbart hatte und eine Melone trug, seine Harley-Davidson mit kreischenden Rädern vor einem Motorradfahrertreff in San Francisco zum Stehen.
Auf seiner ausgeblichenen blauen Jeansjacke, deren Ärmel grob mit einem Messer abgetrennt waren, prangte der boshaft grinsende, geflügelte Totenschädel, den die kalifornische Polizei mittlerweile nur allzu gut kennt.
Man konnte die schweißfleckigen Achseln seines karierten Hemds sehen, als er die ein Meter zwanzig hoch angebrachte Lenkstange packte. Mit einer schnellen Drehung des Handgelenks zerriss er die sonntägliche Nachmittagsruhe auf der Market Street.
Er stellte seine Maschine auf dem Seitenständer ab und polierte mit einem zerlumpten Taschentuch den glänzenden Chrom seiner »XA«-Federgabel – zehn Zentimeter länger als die üblichen. Dann sah er sich um und wischte sich die schmierigen Hände unbekümmert an der ölfleckigen Jeans ab.
Das war Rocky. Niemand interessierte sich dafür,
wie er mit Nachnamen hieß, denn er hatte Klasse und er war ein Hell’s Angel aus Berdoo.
Dreißig Motorradfahrer mit gewienerten Stiefeln und ordentlich geschnittenem Haar hatten seine Ankunft verfolgt, und das nicht ohne Argwohn, denn er war damals noch ein Fremder, und sie alle fuhren schon seit langem miteinander. Das Begrü-ßungskommitee war bestens für eine Mitgliedschaft bei den Hell’s Angels geeignet. Zwar waren sie verglichen mit den modernen Angels absolut bieder, aber auch diese Bande hatte sich immer wieder kleine Scharmützel mit der Polizei geliefert. Rocky wurde zum Präsidenten der neuen Sektion der Hell’s Angels gewählt, weil er ausgezeichnet Motorrad fuhr und weil er Stil hatte.
»Der konnte mit dem Hinterrad einen Kreis ziehen auf der Straße, mit den Füßen auf den Rasten, und, Mann, er war echt ein cooler Typ«, erinnerte sich ein Mitglied der Angels. Die Motorradfahrer fanden eine Näherin, die Rockys finsteres Emblem nachsticken konnte, und bald brausten fast vierzig Angels aus San Francisco heraus. Das schicke »Hell’s Angels – Frisco« rund um den grinsenden, geflügelten Totenschädel kostete 7,50 Dollar und wurde ordentlich auf eine Jeansjacke genäht. Der weiße Hintergrund der roten Beschriftung bekam bei den zahlreichen Saalschlachten, die nun folgten, bald Schmutz- und auch Blutflecken ab.
»Hör mal, Mann, diese Streitigkeiten waren nicht unsere Schuld«, so ein narbiger Veteran zahlreicher Kneipenschlägereien. »Wenn wir in eine Kneipe kamen und einer ist uns dumm gekommen
oder hat versucht, sich an unsere Mädels ranzumachen, dann haben wir uns gewehrt. Was hätten wir denn sonst tun sollen?«
Es gingen immer mehr Polizeiberichte ein, und die Angels waren gezwungen, sich ständig neue Treffs zu suchen. So einen Treffpunkt – normalerweise ein auch nachts geöffnetes Restaurant oder ein Billardsalon – behielten sie dann etwa eine Woche lang bei, bis Beschwerden über Lärm oder Randale die Polizei auf den Plan riefen.
»Wir haben diese Motorradpenner aus der Market Street
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