Hell's Angels (German Edition)
zuvor gewarnt worden. Und da war sie nun in ihrer ganzen stinkenden, tätowierten Leibhaftigkeit – die Gefahr.
Ich kam nah genug, um die Gypsy Jokers zu erkennen, gut zwanzig Mann, die auf Nachzügler wartend um den Pickup herumliefen. Sie schenkten dem vorbeirollenden Verkehr keinerlei Interesse, doch allein ihre Präsenz genügte, allgemein ein mulmiges Gefühl zu verbreiten. Von den Colours einmal abgesehen, sahen sie aus wie Hell’s Angels: Lange Haare, Bärte, schwarze Westen und die unvermeidlichen langen und niedrigen Motorräder. Viele hatten aufgerollte Schlafsäcke am Lenker festgezurrt, und Mädels hockten lässig auf den kleinen Soziussitzen.
Es war Viertel nach acht, als ich zum El Adobe kam. Der Parkplatz stand voller Bikes. Ich hatte in Oakland bei einem Diner gehalten, um meine Feldflasche mit Kaffee füllen zu lassen und den Outlaws Zeit zu geben, sich zu versammeln. Als ich dort eintraf, fand ich vor allem Gypsy Jokers vor. Eine Gruppe von fünfzig bis sechzig Angels war schon nach Bass Lake aufgebrochen.
Ich stellte mich vor, aber das war ein Griff ins Klo. Es hatte sich herumgesprochen, dass es ohnehin schon ein riskanter Run werden würde, und für die Idee, einen Schriftsteller im Schlepptau zu haben, konnte sich keiner erwärmen. Was verständlich war, aber ich hatte die Jokers ja auch gar nicht gefragt, ob ich bei dem Run willkommen wäre, und ging davon aus, dass sie mich in Ruhe lassen würden, wenn sie wussten, dass ich mit den Angels unterwegs war. Buck, ein hünenhafter Indianer auf einer lila Harley, erzählte mir später, sie hätten mich für einen Polizisten gehalten.
Die Feindseligkeit war offensichtlich, aber gedämpft.
Ich beschloss, bei den Jokers zu bleiben, bis sie aufbrachen, und dann zu versuchen, die anderen einzuholen. Sie hatten ein paar Minuten Vorsprung, und ich wusste, dass sie sich ans Tempolimit hielten. Eine Hand voll Angels, die versuchen, einen Run einzuholen, rasen schon mal mit 130 oder 140 Sachen durch den Verkehr, machen sich auf allen drei Spuren eines Freeways breit oder fahren, wenn sie anders nicht durchkommen, geradewegs die Mittellinie entlang, weil sie wissen, dass die gesamte Polizei voraus ist und die große Formation im Auge behält. Wenn sich die Outlaws aber in einer großen Gruppe unter dem wachsamen Blick der Highway Patrol fortbewegen, halten sie sich derart genau an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, dass es jedem Konvoi der US Army zur Ehre gereichen würde.
Fast das ganze Jahr hindurch verhalten sich die Hell’s Angels ziemlich ruhig. Zu Hause, in ihrem Heimatrevier, arrangieren sie sich gezwungenermaßen mit der örtlichen Polizei. Doch fast jedes Sommerwochenende beschließt eins des halben Dutzend Chapters, alleine loszufahren, mit zwanzig bis dreißig Mann, in irgendeine Kleinstadt zu brausen, die nur nominell über eine Polizei verfügt, dort wie eine Piratenbande über irgendeinen unglückseligen Kneipenbesitzer herzufallen, dessen einziger Trost dann darin besteht, dass der Bierprofit in die Höhe schnellt, was aber jederzeit durch das Niederreißen seines Lokals wieder zunichte gemacht werden kann. Wenn er Glück hat, kommt er mit ein paar Schlägereien, zerbrochenen Gläsern und sexuellen Ausschreitungen in aller Öffentlichkeit davon, bei denen es von Erregung öffentlichen Ärgernisses durch unsittliches Entblößen bis hin zum Rudelbumsen in einer Sitznische zu allem kommen kann.
Diese Einzelausflüge sorgen zwar oft für Schlagzeilen,
aber es sind ihre beiden großen Runs – am Labour Day und am vierten Juli –, bei denen die Hölle los ist und die Medien sich überschlagen, weil sich Outlaw-Horden aus dem ganzen Bundesstaat irgendwo in Kalifornien versammeln und bis zur Gehirnerweichung voll laufen lassen.
So ein Run ist für die Angels vieles: eine Party, eine öffentliche Zurschaustellung und eine Übung in Solidarität. »Man weiß ja gar nicht, wie viele Angels es gibt, bis man dann mal an einem großen Run teilnimmt«, so Zorro. »Einige mussten den Löffel abgeben, einige steigen aus, einige wandern in den Bau, und dann sind da auch immer die Jungs, die neu dazugestoßen sind. Darum sind Runs so wichtig: Da kriegst du mit, wer auf deiner Seite ist.«
Es erfordert einen starken Anführer wie Barger, um die nötige Disziplin aufrechtzuerhalten, um eine große Gruppe von Hell’s Angels an das Ziel eines Runs zu führen. Fast überall lauern Scherereien. (Die Angels würden das nie zugeben, aber ein
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