Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
Vom Netzwerk:
wie mich zu dulden.
    Natürlich half es, daß ich diesmal nicht Anzug, Krawatte und Mantel trug. Statt dessen hatte ich meine Arbeitskleidung an - einen alten Parka, eine Strickmütze, verwaschene Jeans mit Farbflecken, einen Armeepullover, Handschuhe, deren Fingerspitzen abgeschnitten waren und Turnschuhe der Marke Pro-Keds, wie sie auch von allen gutgekleideten New Yorker U-Bahn-Ganoven getragen werden. Und dann war da noch die beträchtliche Hilfe, bei diesem Spaziergang einen Paten in Person von Lionel dem Holy Redeemer dabeizuhaben. Daher war es im Moment nicht erforderlich, dieses Tal des Schattens und des Todes zu fürchten; außerdem war da noch als Beruhigungsmittel meine komplette Artillerie - die Bulldog in meinem Schulterhalfter, die an meine linke Wade geschnallte .32er und die Standard .38er Police Special in meinem Gürtelhalfter.
    Ich sah ungefähr ein Dutzend Männer, die entlang einem Gleisabschnitt um ein paar kleine Feuer hockten, immer wieder einen Schluck aus einer Flasche Four Roses nahmen, rauchten und in der Sonne plauderten. Vielleicht das gleiche wie eine Gruppe Rentner, die sich an immer denselben Bänken in immer derselben Ecke des Central Parks treffen, oder so wie sich die alten irischen Knaben in Angelos Ebb Tide die Nachmittage vertreiben, bevor die jungen Leute ihnen auf den Leib rücken. Drüben auf der anderen Seite der Gleise entdeckte ich Gruppen von Frauen, die genau das gleiche taten. Und die Alltäglichkeit dieses Anblickes, geradezu eine Parodie auf das Leben unmittelbar über uns, tat mir weh.
    Lionel wurde von jedem begrüßt, während wir uns über den Dschungelboden bewegten. Durch diesen speziellen Teil dessen, was, wie ich langsam begriff, eine vollständige Unter-Welt war, zogen sich schmale Fußwege, die von den Menschen bis auf den nackten Boden abgebrannt und von Wurzeln und Abfall und Sumachstrünken befreit worden waren. Lionel erwiderte alle Begrüßungen mit einem majestätischen Winken, und mit seinem Stehkragen sah er für mich aus wie der Papst persönlich.
    Und ich schaute zurück zu der Welt über uns, die direkt hinter dem Zaun des Parkplatzes begann. Und eine weitere Erinnerung tauchte auf...

    ... in der Patty, wie ich ihn zuerst gekannt hatte, vor der Zeit der Gang im Schuppen hinter Blind Marys Haus und bevor er Buddy-O genannt wurde, wieder mal das Spiel gewonnen hatte, das er am meisten von allen liebte. Und der Tag, an dem ich sein Geheimnis herausfand, immer zu gewinnen.
    Ich sah Patty in den kleinen Schuppen hinter Blind Marys Haus laufen - der Schuppen, der später zu unserem Treffpunkt wurde -, und ich und die anderen umstellten den Schuppen. Aber Patty kam nicht wieder raus, und als wir hineingingen, war er verschwunden. Und dies war auch nicht das erste Mal, an dem er das gemacht hatte - er stellte uns immer wieder vor ein Rätsel, indem er in den Schuppen lief und einfach verschwand. Fast einen ganzen Block entfernt tauchte er dann wieder auf, fast unten an der Forty-fifth Street, und dann kam er immer zurückgelaufen und brüllte uns hämisch triumphierend von hinten zu: »All-ee all-ee in free!«
    Und eines Tages durchsuchte ich den Schuppen und entdeckte schließlich sein Geheimnis: die Schiebetür, die er aus einer Bodendiele gemacht hatte. Unter der Diele war gerade genug Platz, um bis zu einer Spalte zwischen zwei der großen Felsen an der Schluchtwand kriechen zu können. Und von dort führte dann ein langer Tunnel einen höherliegenden Grat der Schluchtböschung entlang, der stellenweise so eng war, daß ich auf dem Bauch rutschen mußte, um durchzukommen.
    Genau so hatte Patty es gemacht, so hatte uns der große Buddy-O verblüfft. Wir waren damals alle eine Zeitlang jung und dumm genug gewesen, daß er uns damit was vormachen konnte.
    Jetzt, von ganz unten auf dem Dschungelboden, strengte ich meine nicht mehr ganz jungen Augen an, um zu sehen, ob ich den Ausgangspunkt des Tunnels am höherliegenden Grat der Böschung wiederfinden konnte. Ich meinte, die beiden großen Felsen entdeckt zu haben, aber wirklich sicher war ich mir nicht...

    Und jetzt war es dort, wo wir unter der großen Betonbrücke weitergingen, die das Sonnenlicht aussperrte und übelriechende, abgestandene Luft festhielt und jedes Geräusch erstickt wurde, äußerst dunkel und feucht. Lionel bewegte sich wie eine geschickte Katze, die in der Dunkelheit sehen konnte; aber ich sah praktisch nichts. Ich war ein Blinder ohne jede Erfahrung darin, mir einen Weg nur nach

Weitere Kostenlose Bücher