Hell's Kitchen
waren das Rathaus und die überzeugten Anhänger unseres Systems des freien Unternehmertums zuständig, und die Wall Street besaß das Monopol für Bankausplünderungen auf Gentlemenart und aalglatte Schwindeleien - was wieder mal beweist, daß sich manche Dinge nie ändern. Typen wie den Buddy-O’s aus Hell’s Kitchen blieben die vergleichsweise harmlosen Zeitvertreibe, wie zum Beispiel puertoricanische Bodegas oben in den West Sixties auseinanderzunehmen, bevor dort das Lincoln Center gebaut wurde, Bauerntölpel am Times Square auszurauben - und ganz allgemein alle Typen auszunehmen, von denen sie mit Sicherheit wußten, daß sie nicht einer rivalisierenden Gang angehörten, oder solche Burschen, die sich früher oder später wieder von der Gang entfernten, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, Chorknaben zu sein.
Aber die Buddy-O’s verbrachten nicht die gesamte Zeit damit, ihre Fertigkeiten in soziopathischen Künsten und Wissenschaften zu verfeinern. Sie machten die gleichen Sachen wie der ganze Rest der Jugendlichen in unserem Viertel - was im wesentlichen Straßenspiele waren, da kein Mensch einen Fernseher besaß oder Geld fürs Kino hatte. Es War weit entfernt von den typisch amerikanischen Jungenidyllen auf den Covern der >Saturday Evening Post <, aber es gab erheblich schlimmere Dinge, die wir hätten anstellen können. Und die hart arbeitenden Leute, die mit den Ellbogen auf Kissen aus den Fenstern der Mietskasernen hingen, schienen leichter zu atmen, wenn sie uns zuschauten, wie wir Annie-over oder Ballie-callie oder Stoopball oder Cally-up spielten. Oder Devlins Lieblingsspiel - All-ee all-ee in free.
Und wie mich, nachdem ich mich von der Gang gelöst hatte, die harten Jungs der Buddy-O’s, einschließlich Buddy-O selbst, regelmäßig auf der Forty-second Street zu Boden stießen, um an die Münzen in meiner Schuhputzerkiste zu kommen. Hätte damals einer, der mich und Buddy-O aus einem Mietskasernenfenster beobachtete, wie wir bei unseren Straßenspielen um dieselben Hindernisse jagten, wissen können, daß es am Ende so war, daß ich derjenige sein würde, der heute selbstsicher genau die Straßen hinunterging, die einmal Buddy-O und seiner Gang gehört hatten -und daß Buddy-O jetzt auf dem Weg zu einem Grab auf Hart Island war, wo nur eine Nummer seine Grabstätte bezeichnete und Häftlinge von Ellis Island regelmäßig mit dem Boot rüberkamen, um den Armenfriedhof von New York City zu pflegen?
»All-ee all-ee in free.« Ich sagte das nicht laut, ich war mir nicht mal bewußt, daß ich es überhaupt hörbar gesagt hatte.
»Was hast du gesagt...?«
»Ach, nur etwas, das wir früher hier in der Gegend gespielt haben«, antwortete ich Lionel. »Als wir noch als rotzige Kids auf den Straßen rumgerannt sind.«
»Oh, Himmel, ja«, sagte Lionel. »An die Zeit kann ich mich noch gut erinnern.« Und er schnaubte verächtlich.
Dann deutete er auf einen Drahtzaun am hinteren Ende eines vollen, asphaltierten Parkplatzes, auf dem zum größten Teil Kombis standen. Das Grundstück befand sich genau dort, wo früher Blind Marys Haus gestanden hatte, und auch der Schuppen war heute fort. Ich fragte mich ernsthaft, ob Parkplätze inzwischen alles übernommen hatten, woran sich jeder, den ich kannte, noch erinnern konnte - das Cottage von Mona Morgans Vater und sein Meisterwerk oben auf dem Berg in Rhinecliff. Und wahrscheinlich war genau an der Stelle, über die ich jetzt ging, früher mal Blind Marys Salon gewesen - wo sie in ihrem großen rosa Sessel neben der Treppe saß und ihre sechs Zehen vorführte, während junge Burschen unsicher mit ihren Hüten in den Händen herumstanden, mit besonders tiefen Stimmen sprachen und darauf warteten, daß sie an der Reihe waren, nach oben gehen zu können.
Am hinteren Ende des Parkplatzes stieß der Drahtzaun auf einer Seite an die fensterlose Außenwand eines rußigen Lagerhauses aus roten Ziegeln. Ein abgestorbener Baum ragte vom Hang der Schlucht hinter dem Zaun auf.
Lionel zeigte auf den Baum und sagte: »Das ist der Haupteingang zu dem Ort, an dem wir leben.«
Als wir durch die letzten paar Reihen parkender Autos gingen, fiel mir eine interessante Sache auf: Eine ganze Menge der Kombis und Familienlimousinen, die da standen, ähnelten in vielem den Zimmern im oberen Stockwerk von Blind Marys Haus, nur daß sie Reifen und Stoßstangenaufkleber und Schildchen vom New Jersey Department of Motor Vehicles besaßen.
Eine Wagentür würde sich
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