Hell's Kitchen
Schreibtisch saß. Was zutraf, beides.
In der Tür seines Eckbüros auf der vierunddreißigsten Etage in einer dieser trostlosen Granitkisten an der Third Avenue mit durchgehenden Eckfenstern, die sich nicht öffnen lassen und schwarz getönt sind und wie Silos mit Sonnenbrillen aussehen, rang eine mollige Sekretärin die Hände und kreischte ihrem Boss eine Entschuldigung wegen meines Eindringens zu.
»Jeez«, sagte sie, »es tut mir schrecklich leid, Sir. Aber er ist hier einfach reingeplatzt und hat mir seine Dienstmarke gezeigt und alles, aber ich habe nicht geglaubt, daß er wirklich Polizeibeamter ist, so wie er... tja, also, Sie sehen ja selbst, wie er angezogen ist... Und, also, er wollte einfach nicht warten oder so, bis ich mit Ihnen
Rücksprache genommen habe, er ist einfach hier reingestürmt...«
Der Boss unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung, und sie machte mitten im Satz auf dem Absatz kehrt und warf mir einen Messerstich von einem Blick zu. Und sie rauschte in einer Wolke nach Rosen duftenden Parfums an mir vorbei, und ich bemerkte, daß sie von hinten wie ein Ballon aussah.
Als sie gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte ich zu ihrem Chef: »Sie sehen gut aus, Junior.«
»Der Name ist Waterman... Mr. Waterman. Und wenn Sie mich sprechen möchten, dann rufen Sie bitte vorher mein Büro an und vereinbaren einen Termin.« Er hatte einen Verpiß-dich-Tonfall drauf, den ich auch früher schon gehört hatte. Über den Rand einer silbernen Lesebrille musterte er mich mit einem Verpiß-dich-Blick, den ich ebenfalls schon mal gesehen hatte.
Also blieb ich einfach schweigend stehen und starrte ihn an und wartete darauf, daß seine Fassade zusammenbrach, so wie ich es schon viele Male zuvor gemacht habe. Der gute alte Tommy Neglio hatte mir diesen speziellen Polizeitrick beigebracht. Es klappt immer.
»Wenn du willst, daß deine Ohren hundertprozentig arbeiten, Hock, mußt du lernen, den Mund zu halten. Mal angenommen, du willst einen Straftäter schmoren lassen... Glaube mir, starr ihn einfach nur an und halt den Mund. Sieh ihn einfach an, als wäre er ein Paar Schuhe, das du vielleicht kaufen willst. Kein Mensch auf der Welt kann so was lange aushalten. Und da sie nun mal Menschen sind, werden sie sofort mit allem raussprudeln, was du hören mußt, ob sie nun wollen oder nicht...«
Also stand ich einfach da und fixierte Junior, als wäre er ein hochinteressantes Paar Schuhe.
Er hatte seine langen, manikürten Hände auf dem Schreibtisch zu einem spitzen Zelt zusammengelegt, als er sich leicht aus der Taille vorbeugte und mich durch seine Lesebrille anfunkelte. Er trug ein maßgeschneidertes englisches Hemd mit breiten blauen Streifen und einem modischen Kragen und goldenen Manschettenknöpfen. Die Krawatte war kastanienbraun und schien aus reiner Seide zu sein. Ein marineblauer Blazer hing über der Rückenlehne eines Stuhles.
»Ich halte nicht viel von Ihrem Stil, Detective Hockaday.«
Natürlich gab ich ihm keine Antwort. Statt dessen begann ich in seinem Büro herumzuspazieren, als suchte ich irgend etwas.
Ich ging eine Wand entlang, die voll mit den üblichen, in rotes Leder gebundenen Gesetzbüchern und Präzedenzfällen war, und ließ meine Finger über die Buchrücken gleiten. Und dann ging ich zu einer Gruppe dunkelroter Lederclubsessel, die so um einen niedrigen Tisch drapiert waren, daß jeder, der dort saß, in südlicher Richtung auf die Third Avenue schauen konnte, bis runter zur Williamsburg Bridge von der Delancey Street rüber nach Brooklyn. Auf dem Tisch standen ein paar klobige, leere Glasaschenbecher, ein paar neue gelbe Notizblöcke und in der Mitte eine große quadratische Marmorvase mit Trockenblumen.
Überall in dem Büro standen Dattelpalmen, die in kleinen Gruppen angeordnet waren. Und zwischen den Palmengruppen standen Exemplare von Watermans Sammlung einen halben Meter hoher Ledertiere - Nashörner, Nilpferde, Bulldoggen, Krokodile, ein paar Schlangen, Bären, Löwen. Ich habe schon oft solche Tiere gesehen, aber immer nur an zwei Stellen: in Kanzleien und teuren Herrenbekleidungsgeschäften auf der Madison Avenue, die von teuren Anwälten bevorzugt werden.
»Hören Sie, was ich sage?« hörte ich Waterman sagen.
Ich sagte nichts. Ich sah ihn einfach wieder ein bißchen an, näherte mich ein wenig mehr der Stelle, wo er hinter seinem Schreibtisch stand. Ich konzentrierte meinen Blick auf eine Ader genau in der Mitte von Watermans
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