Hell's Kitchen
verbeugte. Einigen der älteren, betrunkeneren Gäste tropften Tränen von der Nase, und sie klatschten in die Hände wie sentimentale Seehunde, und es spielte kaum eine Rolle, was sie von der Sängerin mit der rauchigen Stimme wußten oder nicht. Was zählte, war ein Augenblick der bittersüßen Vergessenheit.
Auch wir applaudierten, Mona und ich. Labeija warf den alten Heulsusen Handküsse zu.
Als der Applaus langsam verklang, sagte ich zu Mona: »Du wolltest was sagen?«
»Ach, wollte ich?«
»Über das Singen und Tanzen.«
Sie spielte mit einer Strähne ihres schwarzen Haares und legte sie über ein Ohr, und dann trat etwas Melancholisches in ihre Stimme. »Das eine oder andere Mal«, sagte sie, »bin ich wahrscheinlich so ziemlich in jedem Laden die Ostküste rauf und runter aufgetreten. Aber das Pigalle ... Ich vermute, so ist es jetzt für mich am besten.«
»Ich habe dich mal im Melody gesehen«, sagte ich.
»Oh, mein Gott, Hock, das ist schon so lange her! Wo bist du gewesen?«
Ich erzählte ihr von dem Leben in einem Haus in Queens, und daß man dadurch leicht den Draht zu vielem verlor, von meinem Zimmer in der Lower East Side, bis ich es endlich kapiert hatte, daß ich geschieden war, daß ich jetzt wieder zu Hause in Hell’s Kitchen war. Ich redete von Ehe und Bedauern. Schon komisch, daß es gar nicht so lange dauerte, das alles zu erzählen, dachte ich.
»Klingt ganz so, als wärst du nach deiner Ehe hauptsächlich traurig«, sagte sie. »Ich vermute, traurig zu sein ist besser als meistens wütend zu sein.«
»Oh, manchmal werde ich wütend.«
»Wie wütend zum Beispiel?«
»Sagen wir einfach, ich bin verdammt oft zur Beichte gegangen, als ich verheiratet war.«
Und wieder lachte sie. Diese Zähne! Ich nippte an meinem
Drink und spürte den Alkohol in meinem Kopf und auf der Haut meines Gesichtes.
»Ich habe mal einen guten Rat von einem Priester bekommen, als ich zur Beichte mußte«, sagte ich. »Der Priester hat zu mir gesagt: >Mein Sohn, weißt du, was man über Frauen sagt - du kannst nicht mit ihnen leben, und erschießen darfst du sie auch nicht.< «
»Ein hervorragender Priester. Er war weise genug, um zu wissen, daß Gott ein Spötter ist.« Nachdem sie das gesagt hatte, lachte Mona nicht.
»Ist er?«
Sie schaute ausdruckslos zur Bühne, wo sich ein mageres blondes Mäuschen zu »Let Me Entertain You« abstrampelte, was schon die Onkel nicht besonders anmachte, die sie aus nächster Nähe beobachteten, und mich noch weniger. Ich dachte daran, daß ich es versäumt hatte, Sam Watermans Anrufbeantworter noch mal anzurufen, um ihm zu sagen, daß er mich jetzt im Pigalle erreichen konnte.
»Also ich glaube, mir hätte die Ehe wahrscheinlich gefallen«, sagte Mona, wobei ihre Stimme sehr weit entfernt klang. Doch dann sah sie mich wieder an. »Aber du weißt ja, wie’s ist - ich bin Tänzerin, keine Sängerin. Das weißt du doch?«
Nein, eigentlich nicht, und Mona erwartete auch nicht wirklich, daß ich es wußte. Sie stand auf und sagte: »Also, wollen wir doch mal sehen, was du von dem Kostüm hältst.«
Sie öffnete einen langen grünen Hausmantel, der fast bis zu ihrem Hals geschlossen war und locker bis weit über ihre Knie fiel. Sie drehte sich ein paarmal elegant, und ich sah einen Sarong aus Goldlamé aufblitzen, dessen Schlitze bis zu ihren Schenkeln reichten. Die Reaktion, die sie mir dadurch entlockte, besserte ihre merkwürdig wechselhafte Stimmung.
»Jedenfalls bin ich hier wenigstens die Startänzerin«, sagte sie. »Los, sag schon, wie findest du’s?«
»Ich glaube, deine Nummer wird mir wahnsinnig gut gefallen, und auch allen anderen, falls sie wissen, was gut für sie ist.«
»Mein Held.«
Bevor sie sich wieder setzte, schlüpfte sie aus ihren Schuhen und zeigte mir ihre Zehen. Sie hatte sie in zehn verschiedenen Farben lackiert.
»Gefällt’s dir?«
»Ja, gefällt mir, aber...«
»Teil meiner Nummer. Du wirst schon sehen.« Sie zog die Schuhe wieder an und setzte sich. Dann sah sie wieder ein bißchen traurig aus und meinte: »Ich hätte eine Menge dafür gegeben, wenn du mir über den Weg gelaufen wärst, als ich noch ein ganz normales Mädchen war.«
»Was ist ein ganz normales Mädchen?«
»Ein hübsches Mädchen aus Nowheresville, das ist ein ganz normales Mädchen. Wie zum Beispiel Mona Morgan aus Rhinecliff...«
Dann kommt sie also wirklich aus einer kleinen Stadt im Norden, dachte ich.
»Ich war so hübsch wie alle anderen, und ich habe
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