Hell's Kitchen
ab. Es sind Typen, die genauso aussehen wie der schüchterne, unverheiratete Onkel von irgendwem, Männer, die in einer schmucklosen Welt leben. Entlang den Wänden, auf den mit Flicken übersäten Vinylbänken oder in den Schatten, schmiegten sich die alten Mädchen in ihren Netzstrumpfhosen und ihren paillettenblitzenden Abendkleidern an die lebhafteren Gäste.
Die letzte in einer Reihe von Stripperinnen war mit ihrer Nummer fertig, und jetzt verbeugte sie sich spröde auf der Bühne. Teile ihrer Federboa tanzten im Scheinwerferlicht, das jetzt allmählich verblaßte.
Dann sang, nach einer kurzen Stille, von irgendwo auf dieser abgedunkelten Bühne eine Altstimme ein Lied, das ich schon Dutzende Male Sinatra in Jonathan Schwartz’ Sonntagmorgenshow auf WNEW-AM habe singen hören: »A Man Alone«. Nur daß diese Stimme geschmeidiger war als Sinatras, tiefer und rauchiger.
Und dann flutete helles Licht über die Bühne, ein Licht, das die Rauchfahnen zerschnitt, die im Raum hingen. Und Labeija stand dort in diesem Licht, beide Hände um ein Mikrophon geklammert, sang mit geschlossenen Augen, ihre Stimme so charaktervoll und traurig und abwechselnd heiter und glücklich. Anschließend sang sie »How Little We Know«, danach »Fools Rush in«, dann »Harlem Butterfly« und »Skylark« und »Arthur Murray Taught Me Dancing in a Hurry«.
Und jemand tippte auf meine Schulter, so leicht und fedrig wie die Boa der Stripperin. Eine weibliche Stimme:
»Wie ich sehe, hörst du genau und aufmerksam zu. Das ist gut für die Sängerin und beweist, daß du ein wahrer Freund des Hauses bist, Hock. Und auch, daß du mein Freund bist, weil du es endlich geschafft hast herzukommen, um mich bei der Arbeit zu sehen.«
Dann beugte Mona sich vor, gab mir einen Kuß auf die Wange und jagte damit meinen Blutdruck hoch. Was eine angenehme Überraschung für mich war.
»Du könntest ein Mädchen ruhig bitten, sich auf einen Drink zu dir zu setzen, wo du ihr ja gerade erst Blumen geschenkt hast«, sagte sie.
Ich stand auf und blieb mit einem Fuß hinter einem Tischbein hängen und fühlte mich ungefähr so elegant wie ein nasser Sack. Dann zog ich ihr einen Stuhl heraus und sagte: »Oh, ja sicher, sicher, setz dich doch, bitte.«
Und dann setzten wir uns. Ich nahm ein Heftchen Reklamestreichhölzer des Pigalle aus dem Aschenbecher und steckte die Kerze zwischen uns an. Und das gelbe Licht fing sich in ihren schwarzen Haaren. Und ich sah ihre dunklen, glänzenden Augen, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, und ihre helle Haut und ihre roten Lippen und ihre perfekten weißen Zähne.
Sie lachte mich an. Und es gefiel mir.
Und ich blies das Streichholz aus und erinnerte mich an neulich in diesem billigen Imbiß, wie wir ein Gespräch begönnen hatten, und daß es wichtig und bedeutungsvoll gewesen war. Und jetzt kam mir die Frage in den Kopf, woher Mona Morgan gekommen war und was sie hierhergeführt hatte. Ich stellte sie mir in einer kleinen Stadt irgendwo im Norden des Staates vor, wie sie im Winter die Main Street entlangspazierte, eingemummelt in einen Pelzmantel, die Arme voller Pakete und Schneeflocken auf ihrem schwarzen Haar. Und sie lächelte mit diesen perfekten Zähnen, genau wie jetzt.
»Diese Zähne«, sagte ich. »Ich würde wahnsinnig gern sehen, wie du in einen Apfel beißt.«
Sie lachte wieder. Dann beugte sie sich vor und berührte meine Hände. Unsere Gesichter waren einander sehr nah, und ich sah die winzigen Falten um ihre Augen und ihren Mund, aber für mich war es in Ordnung. Ich hatte selbst so viel mehr Falten, und ich hoffte, das war für sie auch in Ordnung. Wir hörten zu, wie Labeija »Old Devil Moon« sang.
Der Kellner kam. Ich wollte noch einen Red mit Eis, Mona bestellte sich ein Club Soda mit Limone.
Sie lehnte sich mit ihrem Glas zurück und sagte: »Beija ist eine gute Sängerin, findest du nicht auch?«
Ich stimmte ihr zu.
Und Mona erzählte weiter: »Ich war auch mal Sängerin. Also, Sängerin und Tänzerin. Lieber wäre ich nur Sängerin gewesen, aber du weißt ja, wie’s manchmal so ist. Weißt du, wie’s ist, Hock?«
Ein verhaltener Applaus setzte ein, und dann folgte ein allgemeines Schlurfen nach vorn, als sich die Menge der schüchternen Junggesellenonkel zu den bevorzugten Manegenplätzen um die Bühne drängte - zu einer Fortsetzung der schlichteren Unterhaltung, einer weiteren Runde Stripperinnen.
Wir schauten zu, wie Labeija sich im diffusen blauen Licht kunstvoll
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