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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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außerhalb der Stadt stiegen im Hotel ab und spielten in der Lobby Karten. Manche von denen trugen immer noch Gamaschen über den Schuhen, und alle trugen sie Hüte. Und es gab ein flottes Neonschild: ein Frauenfuß in einem hochhackigen Schuh, der zum Eingang des Clubs hinunterzeigte. Doch heute ist der Laden runtergekommen und angeschlagen und so grau und schäbig wie eine alte Lady mit einer Alkoholikernase. Trotzdem bin ich ihr dankbar. Sie ist immer noch hier, und sie hat ihre Seele noch nicht verloren. Das Pigalle ist ein echtes Labsal in einer sexlosen Wüste aus Glas und Chrom, die sich schleichend über ganz Manhattan ausdehnt.
    Vielleicht ist das der einzige Grund für das Überleben des Pigalle, daß sein merkwürdiger Besitzer, ein schwüler Transvestit und Varietesänger namens Labeija, vor dreißig Jahren genug Verstand hatte, das ganze Gebäude für einen Appel und ein Ei zu kaufen - den Club im Keller mit seiner Schanklizenz und seinem hilfreich sündigen Ruf; das Paris Nights Transient Hotel, das er über die Jahre mit seinen alternden und exotischen Freunden füllte; und die oberste Etage mit der Terrasse und dem Garten, den Labeija selbst angelegt hat und wo er in aller Pracht lebt, ist mit Sicherheit das einzige Penthouse in ganz Hell’s Kitchen.
    Und vielleicht würde das alles eines Tages mit Labeija sterben. In der Zwischenzeit aber war es ein Ort ganz nach Mona Morgans Geschmack. Und nach meinem. Und ich war noch nicht in der Stimmung für eine Beerdigung, ganz sicher nicht bei so einem Empfang, wie ich ihn an der Tür erhielt...

    Das Mädchen klammerte sich an meine Hand, zog mich in die warme Dunkelheit und die aufwärmenden Geräusche des Pigalle. Eine gedämpfte Trompete und ein Ragtimepiano, Gläser und Eis, Besen auf Trommeln und eine verzerrte Posaune, die stampfenden Füße von Männern aus der Gemeinde, oder was noch von ihnen übrig war.
    Sie war groß, und ihre Haare waren lang und hellbraun, die Hüften schmal und doch rund. Sie hatte einen großen, auffallenden Busen, der praktisch überhaupt nicht von dem mit roten Pailletten besetzten Kleid verdeckt wurde. Auf ihre Art war sie schön. Aber andererseits waren alle Clubmädchen im freundlich-sanften Licht der bunten Scheinwerfer und im Nebel des Alkohols auf diese Weise schön; selbst die alte Labeija, auf ihre eigene gequälte Art, würde schön sein, wenn sie sang.
    Ich starrte das Mädchen an, fragte mich, ob sie wohl bei normalem Tageslicht auch schön sein würde. Wahrscheinlich nicht. Sie sagte zu mir: »Hallo, Baby... lange nicht gesehen.«
    Und dann drückte ich ihr ein Dutzend in Folie eingepackter weißer und gelber Rosen in die Hand, die ich unterwegs bei einem koreanischen Gemüsehändler gekauft hatte. Sie quiekte nett und klang dabei wirklich wie ein Mädchen, wie ein junges Mädchen am Abend seines Schulabschlußballes. Daher fühlte ich mich beschissen, als ich ihr sagen mußte: »Die sind für Mona... könntest du sie ihr bitte in die Garderobe bringen?« Sie sah mich an, als würde sie darüber nachdenken, wie viele Männer sie schon in ihrem Leben umarmt hatte, wie viele Münder sie schon hatte küssen müssen.
    Also standen wir ein paar betretene Sekunden lang da, bis ich schließlich vergnügt sagte: »Ich erinnere mich noch, wie dieser Laden mal draußen ein Neonschild hatte.«
    »Ein paar Blocks weiter unten finden Sie soviel Neonreklame, wie Sie wollen, Mister«, sagte sie. »Und das Ergebnis ist, daß diese Schuppen voll sind von der Sorte, die mit ihren Autos in die Stadt kommen, um uns all das zu bringen, was sie zu Hause ablehnen.
    Dieser Club hier, Baby, ist für uns andere. Es ist ein guter alter Laden, der immer noch so wirklich ist wie ein Traum. Daher machen wir uns nicht mehr die Mühe, Werbung zu machen.«
    Ich lächelte und sagte: »Dann bin ich froh, am richtigen Ort zu sein.«
    »Du bist süß«, sagte sie. »Ich mag dich, auch wenn du an ein anderes Mädchen denkst. Wenigstens ist es eine von uns.«
    Dann führte sie mich an einen kleinen Tisch, auf dem eine Kerze in einem Glas stand, und sagte, sie würde Mona die Blumen sofort bringen. Ich setzte mich und winkte einen Kellner heran. Und ich machte eine Bestandsaufnahme des Ladens, in dem ich schon viel zu lange nicht mehr gewesen war.
    Das Pigalle ist ein langer, schmaler, schuppenartiger Raum mit einer niedrigen Decke und einer Bühne im hinteren Teil, die von Biertrinkern umlagert wird, die Zigaretten rauchen, als hinge ihr Leben davon

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