Hell's Kitchen
VERWICKELT [Mehr auf S. 5]
Im Innenteil waren drei weitere Fotos von Father Love, keines davon aus jüngerer Zeit. Auf dem einen dirigierte er mit einem Taktstock seinen Kirchenchor, die Praise-Sayers, und auch der kleine Organist mit dem steifen Rücken war abgebildet, den ich auf die gewaltige Wurlitzer hatte einhämmern sehen. Ein anderes zeigte ihn mit einer Nikolausmütze auf dem Kopf und neben einem strahlenden Roy Dumaine, während er Spielzeug an Jugendliche aus Harlem und Truthähne mit Zwanzig-Dollar-Scheinen in den Schnäbeln an ihre Eltern verteilte. Und auf dem jüngsten Foto schüttelte Father Love in einem Katastrophengebiet der South Bronx, das jeder von Präsidenten-Fototerminen kennt, einem perplexen Politiker die Hand.
Neben den zusätzlichen Fotos stand der folgende Artikel:
EXTRAVAGANTER PREDIGER IM KOMA
POLIZEI HÜLLT SICH ÜBER
SCHIESSEREI IN SCHWEIGEN
- von Ned Blunden
Nach einem Mordanschlag am gestrigen Sonntag morgen auf dem Grundstück seiner Kirche liegt der selbsternannte Gesundbeter und Evangelist - »Father Love« vom Healing Stream Deliverance Temple in Upper Manhattan - zur Zeit im Koma. Der dreiste, bewaffnete Überfall ereignete sich in Gegenwart von mindestens einem Undercover-Agenten der Polizei, der offensichtlich nach zuvor eingegangenen Morddrohungen den streng geheimen Auftrag hatte, den Prediger zu schützen. »Father Love«, dessen wirklicher Name nie bekannt wurde, gilt als Pionier auf dem Gebiet, enorme Geldsummen über den Äther zu sammeln; wie es heißt, zur Finanzierung der guten Taten seiner Kirche. Anders jedoch als Newcomer der Medienkirchen hat Father Love stets das Fernsehen gemieden.
Die Radiosendungen des Harlemer Geistlichen sind bei seinen gläubigen Anhängern ungeheuer beliebt. Dies gilt besonders für New Yorks schwarze Gemeinde, auf die seine Botschaft auch speziell abzielt. Diese Sendungen sind eine Mischung aus Gospelsongs, einem Appell an altmodische Moralvorstellungen und dem Versprechen einer Unabhängigkeit, die aus großzügigen Spenden an Father Love und seine in Harlem ansässige Kirche folgen soll.
Als Grund für die mysteriösen Morddrohungen gegen den ein wenig geheimnisvollen Radioprediger wurden weder Geld noch andere offensichtliche Motive genannt. Der >Post< ist es bis zum Erscheinen dieses Berichtes nicht gelungen, weder den genauen Wortlaut der Drohungen noch deren Anzahl in Erfahrung zu bringen.
Roy S. Dumaine, persönlicher Assistent von Father Love, wollte nur soviel sagen: »Die Polizei wurde detailliert über mehrere Drohungen gegen das Leben unseres Reverend informiert. Das New York Police Department hat darauf reagiert, indem ein Beamter einer Eliteeinheit mit der Ermittlung betraut wurde. Dieser Beamte war zum ersten Mal während unseres heutigen Gottesdienstes [Sonntag] anwesend, in dessen Anschluß dieser Beamte Augenzeuge des Mordanschlages auf dem Gelände unserer Kirche wurde.«
Zu näheren Ausführungen war Dumaine nicht bereit. Weder wollte er den Namen des betreffenden Polizeibeamten preisgeben, noch wollte er der >Post < den wirklichen Namen von Father Love mitteilen oder eine Personenbeschreibung des Möchtegern-Attentäters abgeben.
»Der Täter ist entkommen«, sagte Dumaine. »Und das direkt unter der Nase der Polizei. Also soll das auch die Polizei erklären.«
Sprecher des Central Harlem Precinct und des Polizeipräsidiums wollten lediglich bestätigen, daß einer Anzeige »jüngsten Datums« von der »zuständigen Dienststelle« aufmerksam nachgegangen werde. Nach der Identität eines Beamten einer sogenannten Eliteeinheit befragt, der zum Zeitpunkt der Schüsse am Tatort war, erwiderte ein Sprecher des Polizeipräsidiums: »Es gibt nur einen einzigen Inspector, der dazu etwas sagen könnte, und der ist zur Zeit auf Urlaub.«
Was den genauen Tathergang der Schüsse auf Father Love betrifft, wollten weder die Polizei noch Dumaine der >Post< oder anderen Medien nähere Einzelheiten mitteilen. Für diese ungewöhnliche Nachrichtensperre wurden keinerlei Gründe genannt.
Anhänger des schwerverletzten Geistlichen brachten ihr Entsetzen und ihre Empörung zum Ausdruck - und
zahlreiche Theorien, was einerseits das Motiv des flüchtigen Tåters und andererseits die Nachrichtensperre durch die Polizei betrifft -, während sich die Nachricht dieses Gewaltaktes über Harlem und die schwarze Gemeinde von New York City und darüber hinaus ausbreitete.
Inzwischen reagierten in der ganzen Stadt von der >Post<
Weitere Kostenlose Bücher