Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
Vom Netzwerk:
in diesem Amerika gewesen war. Jetzt erkannte ich in dieser Schlucht die Wahrheit, die sie darstellte: das tiefe, schmutziggrüne Meer, in dem die eine Seite einer Stadt versucht hatte, ihre Schande zu begraben. Und ich war mir auf unheimliche Weise bewußt, daß ich hier unten die falsche Seite meiner Stadt repräsentierte; daß ich, gleichgültig, was auch immer ich dort oben je Gutes getan oder gesagt oder gedacht hatte, hier unten ein Narr war, der nichts wußte.
    Hinter mir machte ein stöbernder Hund ein tuberkulöses, rasselndes Geräusch, während er auf einer Seite der schon lange stillgelegten Gleise über den gefrorenen Matsch und die zerbrochenen, geschwärzten Glasscherben humpelte. Ich sah Rippen, die aus dünnen, räudigen Flanken vorstanden. Der Hund war so dumm gewesen, auf der Suche nach Nahrung herzukommen, konnte weder wissen noch sich vorstellen, wie leicht und schnell er eingefangen und erwürgt, daß sein Fell wegen des Fleisches abgekocht werden konnte.
    Dann schaute ich nach Norden, durch den gewölbten Tunnel, der aus den darüberliegenden Straßen der anderen Seite der Stadt gebildet wurde. Und irgendwo vage am dunklen Horizont war meine bedeutungslose Beute, galoppierte davon in einer Welt, in der ich ein Eindringling war.
    Langsam ging ich zurück zum Fußende der Böschung und beendete meine verbissene und törichte Suche. Ich zog mich hoch und höher. Und als ich wieder auf der Straße stand, waren meine Hände aufgerissen und blutig, und ich war gebadet in Schweiß und einer Angst, wie ich sie in mehr als zwanzig Jahren nicht gekannt hatte und auf die ich auch gut hundertzwanzig weitere Jahre verzichten konnte; und ich war gottverdammt dankbar dafür, zu leben und atmen und bluten und schwitzen zu können - so dankbar, daß ich mir schwor, später die Holy Cross Church aufzusuchen, wo ich an den Stationen des Kreuzweges niederknien würde, wie ich es als kleiner Junge getan hatte, wo ich heute jemandem oben im Himmel sagen würde, daß ich wieder einmal gelernt hatte, wie demütigend es ist zu wissen, daß man sehr viel Glück gehabt hatte.
    Und auch wenn die erste Schicht des Tages für eine Seite der Stadt gerade erst begonnen hatte und die Sonne immer noch ein kalter, oranger Fleck war, der tief im östlichen Grau eines Novembertages hing, hatte ich ein ungeheuer starkes Verlangen nach einem Drink.

    In Munson’s Diner, wohin ich wegen meines Drinks gehen mußte, da ich mich natürlich aus Monas Wohnung ausgesperrt hatte und nicht klingeln und sie wecken wollte, bestellte ich mir Steak und Eier und Kaffee, damit das Bier, das ich eigentlich nur wollte, so früh am Morgen nicht so un-ziemlich wirkte. Ich trank und aß und blätterte in der ersten Montagsausgabe der >New York Post<.
    Unter dem Logo der Tageszeitung und der Silhouette des >Post <-Gründers Alexander Hamilton und der zweifelhaften Behauptung, die >Post< sei die Tageszeitung Amerikas mit der am schnellsten steigenden Auflage, befand sich auf der Titelseite der Boulevardzeitung ein grobkörniges Foto von Father Love. Er stand theatralisch vor der üblichen Batterie von Mikrophonen, die an seiner Kanzel befestigt waren, und sein Mund war weit aufgerissen, und ich konnte mich an den Klang seiner Worte erinnern...

    Ich will, daß ihr eure Hände in eure Taschen steckt, jeder einzelne von euch wunderbaren Brüdern und Schwestern.
    Ich will, daß ihr eure Augen fest geschlossen haltet... und daß ihr tief in jeden Winkel eurer Taschen grabt. Ich sage tief!
    Und ich will, daß ihr nach dem Papier darin tastet. Ich will jetzt kein Klimpern und Klirren in diesen Kollektetellern hören! Berührt einfach nur das Papier. Berührt dieses Geld. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ihr einen Einer oder einen Fünfer oder einen Zehner oder einen Zwanziger berührt!
    Haltet jetzt diese Scheine und Umschläge hoch! Winkt jetzt Gott mit diesem Geld zu!
    Die Kirchendiener beginnen jetzt, durch die Reihen zu kommen. Sie werden einfach diese Scheine aus euren Händen pflücken, als wäre es Baumwolle. Haltet jetzt eure Arme hoch, winkt Gott jetzt zu!
    Und haltet eure Augen geschlossen!
    Und wenn ich zu euch hinausschaue, was ich dann sehen will... ist ein Meer von Grün!

    ... und da schien eine Menge Gold in den Backenzähnen dieses großen, ovalen Mundes zu sein, und noch viel mehr Gold an den steifen Manschetten der Handgelenke seiner hochgereckten Arme.
    Und unter dem Foto stand:

    HARLEMER RADIO-REVEREND
    IN BLUTIGE SCHIESSEREI

Weitere Kostenlose Bücher