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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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anständige Menschen...«
    Es war schon ein toller Tag gewesen. Und auch der Tag davor war ein toller Tag gewesen. Und der Tag davor...

    Aus der Telefonzelle neben dem Eingang rief ich Mona an.
    »Hallo, Lover, vermißt du mich schon?« fragte sie.
    »Ja, ich schätze, das tue ich.«
    »Hab ich dir nicht gesagt, daß ich so was wie eine Kur bin?«
    »Ich bin schon auf dem Weg der Besserung, das muß ich dir lassen«, sagte ich. »Aber eine Kur dauert erheblich länger.«
    Ich lauschte auf ihr rauchiges Lachen und überlegte, wie sie wohl in diesem Augenblick aussah - wie sie vor dem Fenster an dem von ihrem Papa gebauten secrétaire saß, den Telefonhörer zwischen Schulter und Kinn geklemmt. Und ich dachte an den Anblick, wie sie in einen Apfel biß, und wie gern ich sie damals gekannt hätte; wie sehr ich, während die Jahre ins Land zogen, zu der Erkenntnis gelangt war, daß die Zeit ein Vandale ist.
    »Hast du meine Nachricht auf dem Zeitungsschnipsel bekommen?«
    »Habe ich, ja. Wirst du auch vorsichtig sein?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Werde ich dich heute abend sehen?«
    »Vielleicht. Wie sehen deine Pläne aus?«
    »Ich arbeite im Club, zwei Aufführungen von >Popsicle Toes<, du weißt schon.«
    »Ich muß rüber nach Jersey«, sagte ich.
    »Oh, Hock, du armes kleines Ding. Hat’s mit dem Fall zu tun?«
    »Ja, es hat damit zu tun.«
    »Gott, wie lange wird’s denn dauern?«
    »Das ist alles offen.«
    »Sei vorsichtig!«
    »Das hast du schon mal gesagt. Mir wird schon nichts passieren, ehrlich.«
    Mona lachte, aber nicht, weil sie irgendwas lustig fand. Ich meinte, am anderen Ende der Leitung vielleicht so was wie das Klirren von Eis in einem Glas zu hören. Sie sagte: »Keinem passiert was ehrlich. Um das Gegenteil mache ich mir Sorgen.«
    »Wie wär’s, wenn ich dich nach der Show im Pigalle abhole? Dann müßte ich eigentlich wieder in der Stadt sein.«
    »Das wär super, Hock. Weißt du, was ich heute abend gern machen würde?«
    »Ich bin müde, Baby. Wirklich richtig müde.«
    »Gut. Denn heute abend, heute abend würde ich mir gern mal deine Wohnung ansehen.«
    »Meine Wohnung ist eine Müllkippe.«
    »Gibt’s in deiner Müllkippe irgendwas Eßbares?«
    »Ich kann Chili machen, das war’s dann auch schon so ungefähr. Die meisten Leute mögen es nicht.«
    »Ich bin eine ganze Menge, Honey, aber >die meisten Leute< gehört nicht dazu.«
    Und so war der spätere Abend verplant, wenn ich von meinem Besuch bei Witwe Griffiths aus Jersey zurückkehrte.
    Als ich aus der Telefonzelle trat, bemerkte ich mit Bedauern, daß es inzwischen die Tageszeit war, zu der die alten irischen Jungs mit ihren karierten Hemden und Hosenträgern und Glatzköpfen und knotigen Händen anfingen, den jüngeren Bewohnern des Viertels in grauem Flanell, mit Paisley-Krawatten, teuren Haarschnitten und Kamelhaarmänteln Platz zu machen.
    Mir blieben noch etwa zwanzig Minuten, bevor ich mich auf den Weg zum Midtown-North machen mußte, um den Wagen abzuholen. Also setzte ich mich wieder auf einen Hocker an die Theke. Im Fernseher liefen immer noch die Nachrichten, immer noch ohne Ton, und immer noch ergab alles einen perfekten Fernseh-Sinn. Die Reporterin auf dem Bildschirm war inzwischen eine Lady mit rosigen Wangen, und sie interviewte einen blonden Mann wegen irgendwas.
    Und obwohl er draußen in der Kälte interviewt wurde, trug er keinen Hut. Er war irgendwas über vierzig und trug einen guten, dunklen Zweireiher, eine violette Krawatte und einen Mantel, der lässig über seinen Schultern hing. Sein aschblondes Haar war zottig und zerzaust. Es sah aus, als hätte er sich erst kürzlich den Drei-Dollar-Schnitt unten beim Friseur in der Times Square IND-U-Bahn-Station verpassen lassen. Das Gesicht war ausdruckslos-höflich und leicht verquollen und so weiß wie eine Maine-Kartoffel. Er hatte winzige, feminine Lippen, die er schürzte, wenn er da oben auf dem stummen Bildschirm etwas sagte.
    Ich hörte, wie jemand an der Theke, dessen Namen mich nicht weiter interessierte, sagte: »He, ich hab das Buch von dem Kerl da gelesen! Das ist Daniel Prescott... der ist einfach ehrfurchtgebietend! «
    Prescott sagte irgendwas mit seinem winzigen Spitzmaul und seinen Bisamrattenzähnen. Ich drehte mich zu Angelo, der in der Nähe Gläser wischte und einen spöttischen Blick zu Prescotts Gesicht hinaufwarf, und fragte: »Wer ist der Kerl überhaupt?«
    »Hast du die letzten Jahre auf der Venus gelebt, oder was?« sagte Angelo.
    »Oder

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