Hell's Kitchen
Mann.«
»Wie ich höre, ist diese Art von Problem sowohl gut als auch schlecht.«
»Es gibt eine Menge Leute, die würden sagen, dieser Mann ist völlig rein.«
Ich sagte: »Trotzdem, wenn man reine Seide draußen im Regen hängen läßt, läuft sie ein.«
»Hock, du hast doch Durchblick... O Baby, ich muß dir was erzählen...«
Und so, wie sie sich jetzt anhörte, so wie sich jetzt eine Träne in einen Augenwinkel schob, konnte ich einfach nicht mehr wütend auf sie sein, nur weil sie auf den Balsam eines traurigen und einsamen Säufers zurückgegriffen hatte. Zögernd hob sie eine Hand ans Kinn, auch wenn sie den Eindruck vermittelte, als wolle sie mit den Neuigkeiten heraussprudeln wie eine Rotationsmaschine. Was das für Neuigkeiten waren, konnte ich nicht mal raten. Ihre Augen waren auch schon mal klarer gewesen, aber trotzdem sah ich, wie in ihnen der gleiche eingeschüchterte, verängstigte Ausdruck spielte, den ich erst vor ein paar Minuten bei Labeija gesehen hatte.
»Ich weiß nicht, ich kann nicht... oh, ich kann es dir nicht sagen...«
Und dann fing sie natürlich an zu weinen. Große, tiefe Schluchzer, und ihr Kopf mit dem komisch aussehenden Netz sank auf ihre Arme, die gefaltet auf der Frisierkommode lagen, und ihre Schultern hoben und senkten sich kläglich. Die Flasche Wild Irish Rose knallte auf den Boden, und es entstand eine Pfütze aus Weingestank und Glasscherben, was wiederum eine winzige, gesprenkelte Maus erschreckte, die blitzschnell auf einen Spalt in der Fußleiste zuflitzte. Und als Mona sie sah, schrie sie auf - kreischte, bis der gummiartige Schwanz der Maus in der Wand verschwunden war.
»Eine Ratte! Hier!« schrie Mona. »Eine Ratte!«
»Ach, jetzt mach mal halblang«, sagte ich. »Es war doch nur eine Maus.«
»Das war eine gottverdammte Ratte! Genau hier, an meinen Knöcheln, in dieser verlotterten Garderobe!«
Das war die klassische Klage der Varietékönigin. Überall im Kiez, klärte mich mal eine Tänzerin auf - die ich unter der Anklage eingebuchtet hatte, die Brieftasche aus dem Blazer ihres Freiers gemopst zu haben, als er sie eines schönen Abends nach Hause begleitete -, wimmelten die Garderoben der Striplokale von Mäusen. Die Mädchen haben da eine eigene Theorie. Sie glauben, daß, abgesehen von Männern, Mäuse die einzigen Lebewesen sind, die dumm genug sind, sich in Läden rumzutreiben, wo gutes Geld lockergemacht wird, um immer wieder winzige Variationen über eines der unbedeutenderen Themen von Mutter Natur zu sehen.
Die festen Mädchen in einem Striplokal akzeptieren ihre Mäuse, genau wie sie ihr Publikum akzeptieren; und recht häufig fallen ihnen gewisse erstaunliche Ähnlichkeiten in Erscheinungsbild und Persönlichkeit auf.
Normalerweise haben die Schreie der Stripperin und ihre empörten Drohungen, aus der angekündigten Supernummer auszusteigen - bissige Reaktionen auf das ungesunde, bedrohliche Erscheinen besagter Garderobenschädlinge -, den prosaischen Wünschen nach besserer Bezahlung und vielleicht ein paar feudaleren zusätzlichen Leistungen zu tun. Aber Mona bekam bereits ein ordentliches Gehalt, und ihre Unterkunft war so gut, wie es im Pigalle eben möglich war. In Monas Fall lenkte die Maus sie von einem echten, panischen Schrecken ab, wofür ich einen Augenblick dankbar war; wenigstens hatte sie aufgehört zu kreischen.
»Das wird Labeija noch zu hören kriegen!« schimpfte Mona. »Ich denke ja nicht daran, mich mit diesem Müll und Dreck hier abzufinden. Aber zuerst lasse ich meinen Auftritt platzen, das kannst du ihr von mir ausrichten!«
»Wie wär’s, wenn ich sie einfach raufhole, und dann kannst du’s ihr selbst sagen?« fragte ich. Ich dachte, vielleicht könnte Labeija sie überreden, heute abend einfach nach Hause zu gehen und erst mal ihren Rausch auszuschlafen. Und ich dachte auch, daß Labeija mir vielleicht helfen könnte, etwas Licht in die faulen Dinge zu bringen, die im Pigalle im Gange waren.
»Tja, warum nicht!« sagte Mona. »Die Kuh müßte mit ihrem Gegröle inzwischen fertig sein. Schick mir die alte Tunte rauf, hörst du, und dann wollen wir doch mal sehen, was hier gebacken ist!«
Und ich trat auf den schmalen, dunklen und vergleichsweise wohlriechenden Korridor und ging auf die Treppe zu, die ins Erdgeschoß und zu der Bühne mit dem Laufsteg führte.
Als ich das Kopfende der Treppe erreichte, hörte ich, wie die Band eine schmalzige Version von »One for My Baby and One More for the Road« mit
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