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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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war siebzehn, ich vierzehn. Welten trennten uns, auch wenn ich bereits größer war als sie.
    Wenn ich Heidrun Brodersen vor einem der Geschäfte sah, lief ich zu ihr hinüber und fragte sie, ob ich ihre Taschen tragen könnte.
    »Das ist nett von dir, Martin«, sagte sie, und meine Ohren waren voller Bienen. Vielleicht wusste sie ja, wer da in ihren Garten pisste und nach Dunkelheit in den Ästen der Bäume saß, um ihre Töchter zu begaffen, aber sie ließ es sich nicht anmerken. »Deine Mutter hat mir erzählt, dass du der Klassenbeste bist. Sie ist stolz auf dich«, sagte sie, oder »Ihr Jungen werdet ganz stachelig im Gesicht.«
    Ich nahm schweigend ihre Taschen und hoffte, dass mich meine Freunde nicht sehen würden. Heidrun fragte mich nach meinen Plänen, meinen Hobbys, und ob ich schon eine Freundin hätte. Ich stotterte und vernuschelte jedes Mal, und mein Gesicht glühte vor Scham. Wenn ich die Taschen vor ihrer Tür absetzte, fragte sie: »Möchtest du ein Glas Wasser? Oder Schokolade?«
    Ich nickte, ja, und rannte trotzdem davon.
    *
    Peter Brodersen, Heidruns Ehemann, war genauso dick und sanftmütig wie seine Frau, aber ein Esel. Er war beliebt und ein Versager. Er hatte seinen Bauernhof verkaufen müssen, und nachdem er seine Schulden abgezahlt hatte, ging er für den neuen Besitzer als Torfstecher ins Moor.
    Wenn die Männer in Fricks Krug ihm ein Bier bestellten, seufzte er. Sein fleischiges Gesicht glühte rot, und er beklagte sich, dass er noch immer die Äcker bestellen und seinen Freunden Korn und Bier spendieren würde, wenn seine Frau ihm nur Söhne geschenkt hätte. »Frauen«, sagte er. »Ich bin von Frauen umzingelt.«
    Trotzdem schien es den Brodersens an nichts zu fehlen. Die Kleider der Töchter wirkten stets neu und sauber, und Heidrun Brodersen ging nie ohne einen Hut nach der neuesten Mode aus. Ihre kleinen, plumpen Füße steckten in den feinsten Schuhen. Sie machte etwas her.
    Meine Mutter, deren braune Augen ihre harschen Züge etwas abmilderte, wusste nichts Gutes über sie zu sagen. Heidruns Haus war angeblich nicht so sauber, wie es sich gehörte; sie sei trotz ihrer Siege in unserem alljährlichen Bratenwettbewerb keine gute Köchin, und sie schere sich zu viel um den Eindruck, den sie auf die Männer machte. »Für wen macht sie sich so her?«, fragte meine Mutter. Sie litt seit einigen Jahren an Rheumatismus, bandagierte sich die Beine und war die einzige Frau in unserem Dorf, die Hosen trug. »Hinter wem ist diese Frau her?«
    Im Winter verließen wir unseren Posten und sahen Heidrun, die jedes Jahr um die Weihnachtszeit krank wurde und im Haus blieb, nur selten im Dorf. Nach dem ersten Schnee, wenn wir mit Sehnsucht draußen vor dem Küchenfenster standen und den Brodersens dabei zusahen, wie sie Kartoffeln oder Suppe aßen, pinkelten wir Herzen in die Blumentöpfe, Zeichen unserer unsterblichen Liebe und Lust.
    Peter Brodersen schien derweil in einer üblen Laune. Seine Frau lag krank zu Haus, und er war allzu oft in Fricks Krug. Obwohl er immer knapp bei Kasse war, trank er mit jedem, der ihm bis in die frühen Morgenstunden Gesellschaft leisten mochte.
    »Er vertrinkt die Aussteuer seiner Töchter«, sagten die Leute in Hemmersmoor. Die Frauen redeten in der Bäckerei über ihn und schüttelten die Köpfe. »Er ist ein Nichtsnutz. Seine Frau hat das Fieber, und wer kümmert sich um Waltraud, Karin und Heike? Was sitzt er die ganze Nacht bei Fricks? Er sollte zu Hause sein und sich um seine Familie kümmern.«
    Die Männer in Hemmersmoor waren auf Peters Seite. Wann immer die Frauen in der Bäckerei zu laut wurden, kam Bäcker Meier in den Laden und schimpfte. »Er ist ein anständiger Kerl«, rief er dann. »Dumm, aber anständig. Heidrun kann sich keinen besseren Mann wünschen.« Mein Vater leistete Peter nach seinen nächtlichen Runden oft Gesellschaft, und auch der Apotheker, Herr Penck, wusste nur Gutes über Peter zu sagen. »Er hat einen guten Charakter. Das Schicksal hat ihm übel mitgespielt, aber er hat sich nie beschwert.«
    Wir Jungen scherten uns einen Dreck um Peter. Wir konnten uns nicht vorstellen, wie ein solcher Esel drei so schöne Töchter haben konnte, und je weniger wir von ihm sahen, desto besser.
    *
    Im Frühling erschien Heidrun wieder in ihrem Garten und pflanzte Blumen. Sie wirkte nach ihrer langen Krankheit dünner, sah aber nicht abgemagert, sondern so bemerkenswert wie immer aus. Als sie das erste Mal in die Bäckerei kam, trug sie einen

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