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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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so getrieben?«
    Ich zuckte mit den Achseln, holte tief Atem, und sagte schnell, »Ich will mir ein Moped kaufen.«
    Olaf lachte laut heraus, »Na, vielleicht kann ich dir helfen.«
    *
    Den ganzen Frühling und Sommer arbeiteten Olaf und Alex am Haus, und ich ging ihnen jeden Nachmittag und Abend zur Hand, gleich nach der Schule. An Tagen, an denen nicht viel im Gasthaus zu tun war, kam auch Olafs Vater zu uns hinaus, und wir zimmerten, schleppten und legten Ziegel und unterbrachen unsere Arbeit nur, wenn Hilde uns ein kaltes Abendessen servierte.
    »Wir haben dich vermisst«, sagte Bernd Frick eines Tages im Juni. Er trug kein Hemd, und seine Muskeln waren immer noch fest. Er trocknete sich Brust und Rücken mit einem Taschentuch ab. »Manchmal habe ich mich gefragt, ob du je wiederkommen würdest.«
    »Ich habe euch Ansichtskarten geschickt«, sagte Olaf.
    »Sieben Jahre, dreizehn Postkarten. Das hat einem das Warten nicht gerade leicht gemacht.« Er schnäuzte sich und verstummte, doch Olaf sah, dass sein Vater noch nicht fertig war, und wartete geduldig.
    »Weißt du«, fing der alte Mann an, »ich hab mich immer gewundert, ob die Geschichten über die See, über die Matrosen, wahr sind.« Er lachte in sich hinein. »Du weißt schon, ein Mädchen in jedem Hafen, solche Geschichten.«
    Ich tat, als hätte ich die Frage nicht gehört, und fing an, im Zement herumzurühren. Doch aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Alex seinem Vater gebannt zuhörte.
    Olaf schüttelte den Kopf. »Für manche schon.«
    »Es war eine lange Zeit. Niemand würde es dir vorwerfen. Ich zumindest würde es dir nicht vorwerfen.«
    »Wir hatten kaum Zeit genug, uns zu betrinken«, sagte Olaf. »Und ich hatte ein Ziel vor Augen.«
    »Du bist nie schwach geworden? Sieh mal, ich war über fünfunddreißig Jahre verheiratet, aber ich war Versuchungen ausgesetzt.« Er unterbrach sich und sah sich um, aber niemand war in der Nähe. »Ich kenne viele, die ihnen nicht widerstehen konnten.« Dann seufzte er. »Du musst in diesen seltsamen Städten viele hübsche Mädchen getroffen haben. Die müssen einen so gut aussehenden Kerl wie dich doch umschwärmt haben.« Seine Worte kamen nun stockend, und er musste lächeln. »Gibt’s da irgendetwas, das du mir sagen solltest?«
    Olaf schluckte schwer. »Matrosen sind keine Engel, und wenn man für Monate auf einem Schiff eingesperrt ist, verlieren einige den Kopf.«
    »Ja, ein paar verlieren wohl den Kopf«, sagte Bernd schließlich und lachte und nahm einen Schluck Bier. »Ich bin froh, dass du endlich wieder da bist.«
    *
    Die erste Begegnung zwischen Olaf und Jan fand ein paar Tage später vor Fricks Krug statt. Jan tauchte in der Dämmerung plötzlich hinter der Gaststätte auf und begann, den halbfertigen Anbau zu inspizieren. Schweigend starrten die Männer einander an, Alex und ich traten einige Schritte zurück; wir rechneten mit einem Kampf. Aber dann zuckte Jan mit den Achseln, grinste und sagte: »Heh da, Matrose, wie wär’s mit einem Schnaps?«
    Olaf lud uns alle ein; nie hatte ich mich so erwachsen gefühlt. An den Tischen um uns herum saßen Männer aus Brümmers Fabrik, die laut über eine Geschichte des alten Jens Jensen lachten. Alex und ich tranken Bier, unsere Klamotten waren voller Flecken, zementbeschmiert, und sie stanken nach Schweiß. Uns stand ein Platz unter den Männern zu.
    »Ich sehe scheußlich aus«, sagte Jan, als wir die Gläser von der Theke nahmen und uns an einen der Tische setzten, »aber ich hege keinen Groll. Damit bin ich durch. Ich bin froh, dass du mich nicht den ganzen Arm gekostet hast.« Der Stumpf war nun in Leder gehüllt, und Jan sagte, dass ihm vielleicht eine künstliche Hand angepasst werden würde.
    Alex sah misstrauisch drein und schien bereit, aufzuspringen und, falls notwendig, seinen Bruder zu verteidigen. Er überragte Olaf und war wohl der Stärkste von uns allen. Doch es kam zu keinem Kampf. Jan und Olaf wurden zwar keine Freunde, aber sie hielten Frieden. Jan hatte in Brümmers Fabrik weiterarbeiten können und schlug sogar vor, dass sich Olaf wieder dort bewerbe. Doch Olaf hatte mit dem Besitzer der Reparaturwerkstatt gesprochen, und da dieser kurz zuvor seinen besten Mann verloren hatte, willigte er ein, sein Geschäft an Olaf zu verkaufen, sobald das Fricksche Haus fertig wäre.
    Unser Dorf machte es ihm einfach. Die Mädchen hielten nach Schulschluss vor dem Gasthaus an, um die eigenartigen Tätowierungen auf Olafs Armen und Rücken

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