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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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und erfuhr erst jetzt, dass seine Mutter und Schwester gestorben waren. Jan Hussels Unfall und Olafs Abreise waren nur die Vorboten weiteren Unglücks gewesen. Sein Vater war der wohlhabendste Mann in Hemmersmoor, aber seine Kinder hatten ihm nur Enttäuschung und Kummer gebracht. Manche Leute behaupteten, dass die Familie unter einem ungünstigen Stern lebe, andere sagten, dass Bernd Frick ein schlechter Vater gewesen sei und zu viel Zeit darauf verwandt habe, uns allen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Doch vielleicht bedeute Olafs Heimkehr auch eine Wende im Leben der Fricks. Alex war nun ebenfalls wieder zu Hause und machte sich jeden Abend nach Feierabend im Gasthaus nützlich. Das Haus sah noch immer sauber und gepflegt aus, und Olafs Vater, obschon gealtert, war in bester Gesundheit.
    Und Olaf sah seine Hilde endlich wieder. Sie war etwas fülliger als früher, das junge Mädchen war eine Frau geworden. Sie war seine Frau, und was für ein seltsamer Gedanke das gewesen sein muss. All die Jahre muss er darauf gehofft haben, nach Hause zu kommen, und hier stand sie nun vor ihm, in der stillen Gaststube. Hilde umarmte ihn und flüsterte, »Du siehst so sonderbar aus.«
    *
    Olaf hatte große Pläne. Er hatte nur wenig Geld ausgegeben und genug gespart, um sich ein eigenes Haus zu bauen. Er wollte sein eigenes Geschäft gründen oder vielleicht die Bootswerkstatt an der Droste übernehmen. Vielleicht würde er in Groß Ostensen Motorräder verkaufen.
    Das alles erklärte er uns am Abend in der Stube über der Kneipe, während er einen Teller Eintopf löffelte, den Hilde für ihn gekocht hatte. »Du hättest uns Nachricht von deiner Ankunft geben sollen«, beklagte sie sich. Meine Mutter und mein Vater, meine Schwester Birgit, die Fitschens von nebenan und die Meiers mit ihrer Tochter Sylvia waren gekommen, um sich die kleinen Schmuckstücke anzusehen, die Olaf auf seinen Reisen gesammelt hatte. Er zeigte uns einen blauen Skarabäus – »Wie kann man ein so komisches Ding nur anbeten?«, sagte Sylvia und drehte den Käfer in ihren Händen. Olaf zeigte uns einen steinernen Buddha, den er in Shanghai gekauft hatte, Masken aus Afrika und eine Bronzefigur, die, wie er uns erklärte, die Freiheitsstatue in New York darstellte.
    Unsere Familien schüttelten die Köpfe. War es nicht merkwürdig, dass diese fremden Völker so sonderbar aussehende Sachen anfertigten? Wozu brauchten sie ein Tanzpaddel? Wer hatte je von Leuten gehört, die mit einem Paddel tanzten?
    Später, nachdem die Meiers gegangen waren, öffnete Bernd Frick eine Flasche Bommerlunder, und Olaf begann, von seinen Plänen für ein neues Haus zu sprechen.
    Bernd Fricks Haar war mit den Jahren weiß geworden, sein Bauch wölbte sich gewaltig. Tiefe Furchen hatten sich in sein Gesicht gegraben. Und doch, als er und Olaf so nebeneinandersaßen, sah der Sohn wie ein jüngeres Abbild des Vaters aus, mit Gesichtszügen, die nur von der Schönheit seiner Mutter abgemildert wurden. Selbst nach den Jahren zur See konnte man noch eine gewisse Weichheit um seine Lippen und Augen erkennen, eine Weichheit, die Bernd und auch Alex völlig abging.
    »Also wo sollen wir es bauen?«, fragte Olaf.
    Sein Vater wartete einen Moment, bevor er mit den Achseln zuckte. »Du hast wahrscheinlich schon darüber nachgedacht.«
    Olaf lächelte. »Ich denke, wir sollten flussaufwärts bauen, direkt an der Droste. Wir werden nah am Dorf sein, und falls wir Boote reparieren wollen, können wir bequem ausbauen. Was haltet ihr davon?«
    Alex grunzte zustimmend. Er trug jetzt einen Schnurrbart und war schon fast so beleibt wie sein Vater. »Klar doch. Ich kann dir helfen.«
    »Wir alle werden dir helfen«, stimmten mein Vater und meine Mutter ein.
    Der alte Frick dachte eine Weile nach. »Es ist ein guter Plan. Und doch.« Er faltete bedächtig die Hände und öffnete sie wieder. »Weißt du, nach dem Tode deiner Mutter wurde es mir klar, dass auch ich bald sterben werde. Ich bin fast siebzig, und vielleicht habe ich noch ein paar gute Jahre in mir, aber in nicht allzu langer Zeit wirst du dieses Haus erben.« Er seufzte.
    Alex blickte bei diesen Worten finster drein. Er hatte seinen Bruder nicht vermisst, und obwohl er ihm nicht feindlich gesonnen war, behagte ihm der Gedanke, dass Olaf die Gastwirtschaft übernehmen könnte, überhaupt gar nicht. Der Vater sah Alex nicht gern in der Gaststube, er befürchtete, die Dorfbewohner könnten noch immer Groll gegen seinen Sohn hegen und dem

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