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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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anzugaffen, und fragten ihn, was sie bedeuteten und wo er sie bekommen hatte. Die Nachbarn kamen und halfen aus, und Liese Fitschen, die nebenan wohnte, brachte uns oft Kaffee oder bot uns dicke Stücke von ihren Kuchen an, die sie zweimal die Woche backte.
    »Ganz so wie früher«, sagte Olaf. Als Junge hatte er die Fitschens sehr gemocht, sie hatten ihm Kekse und Süßigkeiten zugesteckt, so oft er an ihre Tür kam.
    »Ja,« erwiderte Liese. »Du warst ein solcher Lausebengel, und sieh dich jetzt einmal an.«
    Veronika, die Jüngste von Lieses Töchtern, kam manchmal zur Hecke, die die zwei Grundstücke trennte, und sah uns wortlos bei der Arbeit zu. Jedes Mal, wenn er sie sah, winkte Olaf ihr zu, und jedes Mal lief sie fort. Olaf lachte ihr nach: »Sie wird noch jung genug sein, um mit meinen eigenen Kindern zu spielen.«
    Veronikas Brüder waren freimütiger. Olaf hatte sie noch gekannt, als sie zu klein waren, um in die Schule zu gehen, aber wenn sie nun auf der Baustelle auftauchten, um uns bei der Arbeit zuzusehen, rauchten sie billige Zigarren und pfiffen den Mädchen hinterher.
    »Hast du den Klabautermann gesehen?«, wollten sie wissen. »Wie groß war der? Hast du den Malstrom gesehen? Wie bist du dem entkommen? Hast du es mit vielen Frauen getrieben? Wie sind schwarze Frauen? Wie sind die Gelben? Gibt es wirklich Inseln, wo alle Leute nackt rumlaufen?«
    *
    Das Richtfest wurde im Juli gefeiert, als schon Ferien waren und Lieses Kinder den ganzen Tag Zeit hatten, beim Gasthaus herumzulungern und Olaf trotz der Ermahnungen ihrer Mutter mit Fragen zu bombardieren. Jeden Morgen nahm Liese ihre jüngste Tochter mit zum Bäcker und ließ das Mädchen auf dem Nachhauseweg die Einkaufstasche tragen. Kurz darauf rannten die anderen Kinder in den Garten und ins Dorf hinaus.
    Ich war mächtig stolz, als der Richtkranz gesetzt wurde und stand mit einem Bier neben meinem Vater, der mir auf die Schulter klopfte und mir eine Zigarette anbot. Bernd Frick schien mit unserer Arbeit zufrieden – er schenkte Korn an die Nachbarn aus und ließ sich mit Olaf, Alex und Hilde fotografieren. Seine Kinder hatten ihm nichts als Unglück beschert, aber in dieser Julinacht schien für ihn alles wie verwandelt. Alex und Olaf waren nach Hemmersmoor zurückgekehrt und würden ihm endlich zur Ehre gereichen.
    Nur Hildes Gesicht hatte sich nicht erhellt, als die Kornflasche herumgereicht wurde, und sie hielt sich den ganzen Abend abseits. Die allgemeine Freude schien sie kalt zu lassen, sie wirkte mürrisch.
    »Ist es nicht so, wie du es dir gewünscht hast?«, fragte Olaf.
    »Es ist schon hübsch«, entgegnete sie. »Ich muss mich nur erst daran gewöhnen.«
    »Liebst du mich nicht mehr?«, fragte er mit einem Lachen.
    »Das ist es nicht.« Sie hatte den grinsenden Dämonen, der Olaf vor zwei Jahren in Shanghai mit schwarzer Tinte auf den Rücken tätowiert worden war, und den die Mädchen im Dorf in ihre Schulhefte übertrugen, mit ihrem kurzen, blassen Finger nachgezeichnet und sich geweigert, sich Olafs Geschichte, warum er ihn sich hatte stechen lassen, anzuhören. Und Alex hatte mir erzählt, dass Hilde bislang darauf bestanden hatte, dass ihr Mann in Annas altem Zimmer schlief, weil sein unruhiger Schlaf sie wachhalte. Sie sei schon voller blauer Flecken.
    »Was ist es denn sonst?«, fragte Olaf.
    »Wir waren Kinder, als wir geheiratet haben«, sagte sie, dann wandte sie sich abrupt ab und lief davon. Olaf sah, dass ich ihnen zugehört hatte, lachte unbeholfen auf und zuckte mit den Schultern. Obwohl es fast dunkel war, konnte ich sehen, dass er rot angelaufen war.
    Schließlich zogen die Eheleute in das neue Haus ein und teilten das große Bett, das Alex und sein Vater zusammen gezimmert hatten. Olaf hatte das Schlafzimmer nach seinen Plänen gebaut und ließ einen teuren Schminktisch aus Hamburg kommen. Hilde zeigte ihn allen Frauen im Dorf, und meine Schwester Birgit schwärmte von dem goldgerahmten Spiegel. »Du kannst dir selbst beim Kämmen zuschauen und dich zurechtmachen. Und wenn mir ein Mann wie Olaf zuschaute, würde ich mich den ganzen Tag mit Cremes einreiben und mir das Haar flechten.«
    »Unsinn«, gab meine Mutter zurück. Sie war von dem Schminktisch nicht beeindruckt. »Für was brauchst du einen goldenen Spiegel? Dein Haare sind so dick wie Binsenhalme, und wie viel Schminke du dir auch ins Gesicht reibst, du kannst deine Sommersprossen doch nicht verbergen.«
    *
    Alex bewarb sich nach dem Sommer auf dem Gut

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