[Henderson_Charles]_Todesfalle-Die_wahre_Geschicht(Bookos.org)
Kassenangestellte arbeitete. Das war im Januar 1962 gewesen.
Hathcock war eben von der 1. Marine Brigade in Hawaii, mit der er zwei Jahre lang in den exotischen Häfen des Fernen Ostens und des Südpazifik herumgekreuzt war, zur Marine Corps Air Station in Cherry Point versetzt worden.
Für ihn war es eine einschneidende Veränderung gewesen, als er dieses tropische Paradies mit den braunhäutigen Mädchen und den herrlichen Urlaubsnächten gegen das Küstenland North Carolina mit den von Tabakpflanzungen gesäumten Landstraßen eintauschen mußte, wo die Tankstellen das einzige Freizeitvergnügen boten.
Nach dem Rekrutenlager und der Grundausbildung bei der Infanterie hatte Hathcock Camp Pendleton verlassen und sich beim Stützpunkt in Treasure Island in der San Francisco Bay gemeldet, von wo man ihn mit einem Truppentransporter nach Hawaii brachte. Dort wurde er MG-Schütze im Waffenzug der Kompanie E, 2. Bataillon, 4. Marines. Und er gab sich alle Mühe, dem Image des Bataillons mit dem Spitznamen ›The Magnificent Bastards‹ (etwa: Die tollen Hunde), gerecht zu werden, wenn er in Taipeh, Tokio, Papeete und anderen exotischen Häfen, oder auch in seinem Heimathafen Honolulu, auf Urlaub war.
Als Hathcock sich im Fliegerhorst in North Carolina meldete, stand der Personalchef zuerst einmal vor dem Problem, was ein Luftwaffenstützpunkt mit einem Marineinfanteristen anfangen sollte. Die nächsten Infanterieregimenter standen vierzig Meilen weiter südlich in Camp Lejeune. Der Offizier fragte Hathcock, ob er gerne Sonderaufgaben übernehmen würde, zum Beispiel die Turnhalle ausfegen oder Basketbälle ausgeben. Hathcock mußte schlucken und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihm diese Vorstellung zuwider war.
Er blickte dem rotgesichtigen Marine gerade in die Augen und fragte ganz harmlos: »Sir, gibt es in Cherry Point eine Schießbahn?«
Hathcock wußte, daß es eine gab und daß Cherry Point ein hervorragendes Schützenteam besaß. Er dachte, wenn er gleich darum bat, diesem Team zugewiesen zu werden, würde der Personalchef vielleicht nicht so ohne weiteres auf die Wünsche eines Private First Class (Obergefreiter) eingehen wollen. Aber wenn er die Leute hier selbst auf die Idee kommen ließ, würde es sicher klappen.
»Ich habe ein wenig Erfahrung im Schießen«, erklärte Hathcock dem Gunny. »Ich habe in Kaneohe Bay als Trainer gearbeitet und auch im Team der Hawaii Marines geschossen. Sie können Gunner Terry oder Lieutenant Land in Hawaii anrufen. Die haben mich dort auch in die Schule für Späher und Heckenschützen geschickt. Vielleicht bin ich draußen auf der Bahn zu gebrauchen.«
Der Gunnery Sergeant hörte sich das an und sagte dann: »Ich werde Gunny Paul Yeager drüben auf der Schießbahn anrufen und fragen, ob er Verwendung für Sie hat.«
Der Anruf dauerte nur einen Moment. Yeager hatte gehört, daß ein PFC namens Hathcock, ein fähiger Schütze, hierher unterwegs war, und daß dieser junge Marine im Jahr zuvor die Meisterschaften der Pazifikdivision im Gewehrschießen gewonnen hatte. Er hatte schon geplant, Hathcock für das Schützenteam von Cherry Point an den Meisterschaften des gesamten Marine Corps teilnehmen zu lassen. In den drei Jahren, in denen Hathcock in Cherry Point schoß, entwickelte er sich von einem begabten Anfänger zum Distinguished Marksman (Scharfschütze mit Auszeichnung) und gewann Meisterschaften, die innerhalb des Marine Corps, zwischen allen Heeresverbänden und auf nationaler Ebene ausgetragen wurden. Er stellte für das Marine Corps den Rekord beim ›A‹-Wettbewerb auf, als er 248 von 250 möglichen Punkten erzielte - ein nie mehr erreichtes Ergebnis - und zog sich mit diesem Sieg vom Wettbewerbsschießen zurück. Das war während seines ersten Jahres.
Sein erstes Weihnachtsfest in Carolina verbrachte Hathcock allein in der Kaserne. Er las Bücher und trainierte seinen schlanken Körper, die straffen, steinharten Schießpositionen einzunehmen. Die Urlaubshäfen des Südpazifik waren ein unvergeßliches Erlebnis gewesen, aber Vergleichsschießen befriedigte ihn mehr. Für Hathcock hatte das Schießen eine ausschlaggebende Bedeutung erhalten: es war sein Handwerkszeug geworden. Das einsame Weihnachtsfest machte ihm nichts aus. Der Gedanke an die Schießbahn, auf der bald die neue Saison eröffnet wurde, und an die Chance, vielleicht in das Schützenteam von Cherry Point aufgenommen zu werden, hielt ihn bei Laune.
Ein paar andere Marines, die die
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