[Henderson_Charles]_Todesfalle-Die_wahre_Geschicht(Bookos.org)
noch stärker«, sagte er zu sich. »Hathcock, behalte die Flaggen im Auge und vergiß die Zeit nicht.« Er beobachtete, wie der Sekundenzeiger über das Zifferblatt fegte und dachte: »Dreimal um die Scheibe, das ist alles. Drei Runden dieses Zeigers. Paß auf. Und achte auf den Wind.«
»Meine Herren«, verkündete die Stimme wieder, »Sie können einen Schuß laden.«
Hathcock nahm die Patrone, die er sich unter dem Handtuch bereitgelegt hatte, und ließ sie in den Verschluß seines Gewehrs fallen. Mit einer fließenden Bewegung stieß er den Kammergriff nach vorne und ließ ihn unten einrasten. Dann atmete er tief ein und visierte hinter der Stelle, wo seine Scheibe stehen würde, den Horizont über dem Eriesee an.
Die Scheiben gingen hoch, und die drei Minuten begannen.
»Richte dein Gewehr aus, visiere die Scheibe an und konzentriere dich. Gib auf das Fadenkreuz acht. Gib auf die Uhr acht. Gib auf den Wind acht.«
Der Knoten verschwand. Er dachte nur noch an das, was er tun mußte, damit sein Schuß das schwarze Papier im Inneren des mittleren Rings 1000 Yard vor ihm traf.
Zwei andere Schützen, einer davon Sergeant Sanchez, standen vor dem gleichen Problem - wann sie schießen und wohin sie halten sollten.
Der Wind blies stetig weiter, und Hathcock beobachtete, wie der Sekundenzeiger seiner Uhr die erste Runde um das Zifferblatt vollendete. Weit links, da wo Sanchez lag, krachte es. Hathcock blickte durch das Beobachtungsfernrohr auf die wogenden Hitzewellen und dann auf die Bahnflagge. Er fragte sich, ob Sanchez so viel Wind mit einkalkuliert hatte. Hathcock wartete, während der Sekundenzeiger auf seiner Uhr immer weiter tickte und die Bahnflagge gerade im Wind stand.
Wumm. Das Geräusch, mit dem der zweite Schütze mit einem Gewehr mit Zylinderverschluß seinen Schuß über die Bahn schickte, veranlaßte Hathcock, wieder auf seine Uhr zu sehen und dem Sekundenzeiger zu folgen, der eben die zweite Runde um das Zifferblatt beendete.
»Weniger als eine Minute«, sagte er sich. Er beugte sich zur Seite, warf einen schnellen Blick auf die Mirage und nahm wieder seine Haltung ein. Er konzentrierte sich auf das Fadenkreuz des Gewehrs und sah am Rand des Blickfelds, wie die Bahnflagge sich weiter kräuselte. Der Sekundenzeiger tickte, noch fünfundvierzig Sekunden. Jetzt noch dreißig... zwanzig Sekunden.
Hathcock blickte auf die Uhr, als der Sekundenzeiger an der Fünfzehnsekundenmarke vorbeilief, dann verschob er mit einem leichten Zug seiner rechten Zehe das Meßkreuz auf die Siebenuhrstellung im Zentrum und begann, den Abzug durchzudrücken.
Obwohl er sich auf das Kreuz aus feinen Drähten in seinem Visier konzentrierte, bemerkte er, daß sich die Bahnflagge ein wenig senkte, die Windgeschwindigkeit ließ nach. Plötzlich durchlief ihn Erleichterung.
Jim Land saß mit Hathcocks anderen Teamkameraden auf der oberen Tribüne und zählte nervös die Sekunden. »Verdammt, Carlos, schieß doch«, sagte er laut, als der Zeiger über die letzten Sekunden des Dreiminutenlimits ruckte.
Es war fast, als habe Hathcock die angespannte Bitte gehört, denn der Krach des Gewehrs folgte unmittelbar auf die letzte Silbe. Die Scheibe versank in dem Augenblick, als die Patrone sie durchschlug und im Eriesee verschwand. »Feuer einstellen, Feuer einstellen«, befahl die Stimme aus den Lautsprechern.
Zwei Minuten später stiegen die oberen Ränder von drei Scheiben gleichzeitig aus den Gruben und hielten auf Halbmaststellung an.
»Meine Damen und Herren, wir zeigen nun alle Fehlschüsse an. Es gibt keine Fehlschüsse. Nun zeigen wir alle Dreier an. Es gibt keine Dreier. Nun zeigen wir alle Vierer an.«
Zwei Scheiben stiegen aus den Gruben. Beide trugen drei Zoll rechts vom Scheibenzentrum schwarze Marken.
Hathcock löste das Auge nicht vom Okular seines Beobachtungsfernrohrs, während er auf seine Scheibe wartete. Er hörte nicht, wie sich die Tribünen mit jubelnden Menschen füllten, die seinen Sieg beklatschten.
»Meine Damen und Herren, wir zeigen jetzt die Wertung
des Nationalmeisters von 1965, Marine Corporal Carlos N. Hathcock II aus New Bern, North Carolina«, verkündete die Stimme vom Tower in der Linienmitte. Und als Hathcocks Scheibe aus der Grube stieg, schob sich ein rotes Schild vor die Mitte und bedeckte das Zentrum. Hathcock blickte durch das Fernrohr, und als das Schild sich senkte, entdeckte er eine weiße Marke am äußeren Rand des schwarzen Kreises. Er dachte bei sich, daß sich das Warten auf das leichte
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