[Henderson_Charles]_Todesfalle-Die_wahre_Geschicht(Bookos.org)
ihrem Versteck lagen und alles beobachteten, was um die Reisfelder und Hütten herum vorging. Die Männer, die am Rand des Reisfelds Unkraut gejätet hatten, drängten sich nun in der Tür einer Hütte gegenüber von den Marines zusammen. Hathcock kümmerte sich nicht um sie, aber der Mann, der gleich hinter der Tür der Hütte am Waldrand hockte, interessierte ihn weiterhin.
Der Monsunregen hielt den ganzen Nachmittag lang an, und Hathcock und seine beiden Schüler lagen völlig durchnäßt am Rand des Dschungels und warteten gespannt darauf, daß sich der Mann, der in der Hütte hockte, als ›Charlie‹ zu erkennen gab.
»Gehen wir«, flüsterte der stramme PFC Hathcock zu. »Es ist fast Zeit zum Abendessen. Hier draußen gibt es sowieso keine VC, auf die man schießen könnte. Und außerdem habe ich Hunger.«
Hathcock warf dem jungen Marine mit dem runden Gesicht einen Blick zu, der ihm deutlich sagte, er solle seine Gedanken lieber für sich behalten. Hathcock krümmte den Finger, um ihn näher heranzuwinken, und wisperte knapp: »Sitzen Sie still und machen Sie kein Geräusch mehr. Sie haben schon genug Fehler gemacht, als Sie diese Bauern töten wollten.«
Der Marine legte sich flach auf den Bauch und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. Er sagte nichts mehr, bis er am Abend mit dem Captain zusammentraf.
Der Regen schwächte sich zu einem Nieseln ab, von Osten kam ein leichter Wind und fegte den Dunstschleier weg, der sich über die Felder gelegt hatte. In der Tür der Hütte am Waldrand stand der Mann im Khakihemd und den schwarzen Shorts auf, trat hinaus, blickte nach rechts und nach links und verschwand hinter der Hütte.
»Der hat etwas vor«, dachte Hathcock bei sich, während er ihn durch das Zielfernrohr seines Gewehrs beobachtete.
Zehn Minuten später kehrte der Mann mit einer weißen Segeltuchtasche über der Schulter zurück. Wieder schaute er nach rechts und nach links. Und als er sicher war, daß niemand ihn beobachtete, griff er in die Türöffnung der Hütte und holte ein SKS-Gewehr aus seinem Versteck.
»Hab' ich dich endlich, Charlie«, dachte Hathcock, drückte sanft den Abzug seines Gewehrs durch, und der Mann fiel tot um.
»Jetzt können wir nach Hause gehen«, erklärte Hathcock dem strammen PFC.
Die drei Marines schlüpften lautlos zwischen die Bäume und kamen, dem Waldrand folgend, auf gleicher Höhe mit der Hütte heraus, vor der Hathcock den Vietkong-Soldaten getötet hatte. Sie blieben stehen und sahen sich den Toten an, der nur ein paar Schritte vom Waldrand entfernt lag. Neben ihm lag das SKS-Gewehr.
»Die Waffe werde ich erbeuten«, erklärte Hathcock den beiden Schülern.
Sie schlichen vorsichtig zum Waldrand und spähten aus der dichten Deckung heraus, dann kroch Hathcock schnell zu der Leiche und schnappte sich das Gewehr. Er drehte sich um und wollte gerade den Rückzug antreten, als er eine breite, weiße, fast zehn Zentimeter lange Feder zu seinen Füßen liegen sah. Der Anblick erinnerte ihn an die weißen Seevögel, die er bei Sonnenaufgang über das Tal hatte fliegen sehen.
Er kniete nieder, nahm die zarte Feder in die linke Hand und verschwand ohne weitere Verzögerung schnell hinter dem grünen Vorhang des Dschungels.
Während die drei Männer zum Sammelpunkt gingen, drehte Hathcock die Feder zwischen den Fingern und dachte wieder an den friedlichen Morgen und die weißen Vögel. Die Feder mochte durchaus von einem Huhn stammen, das sich an dieses ferne Ende des Dorfs verirrt hatte, aber Hathcock nahm lieber an, daß einer der weißen Vögel dieses Morgens sie verloren hatte. Und aus dem gleichen Motiv, aus dem Hunderte von Marines und anderen Soldaten gelegentlich eine kleine Blume an ihre Helme hefteten, ein Symbol für die schlichte Schönheit, die auch inmitten der Schrecken des Krieges noch Bestand hatte, nahm er seinen Buschhut vom Kopf und steckte sich die Feder ins Hutband.
Dann setzte er den Hut wieder auf und wandte seine Aufmerksamkeit dem erbeuteten Gewehr zu. Er würde es mit einem Etikett versehen und am Kommandostand abliefern. Wenn er Glück hatte, konnte er es als Souvenir mit nach Hause nehmen, so wie sein Vater damals die alte Mauser.
Für den Rückweg brauchten sie viel länger als am Morgen. Der Zug nahm eine andere Route, auf der er Höhe 55 von einer anderen Seite her erreichte, als er sie verlassen hatte. Die Männer wußten, daß die Vietkong oft in den Spuren ausziehender Patrouillen Sprengladungen deponierten, in der Hoffnung, die
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