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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Purschke
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ich hörte, wie Dieter sagte: ›Ey, du bist jetzt meine Chefin‹, und Lisa raunte: ›Genau, du brauchst dich also gar nicht so anzustellen‹ und ›Er ist doch nicht aus Seife‹, und dann machte sie sich an Dieters Jeans zu schaffen, und ich hab gemacht, dass ich wegkam. Auf Zehenspitzen bin ich runter durchs Treppenhaus und wieder nach Hause.«
    »Waren Sie enttäuscht, dass Dieter den Avancen Ihrer Freundin offenbar nachgegeben hat?«
    »Ja! Ich meine, Dieter ist so hübsch und Lisa so hässlich.«
»Hässlich? Sie nennen Ihre Freundin hässlich?«
    »Ja, hässlich. Also ich fand diese ganze Szene so eklig. Lisa, wie sie da in so einem professionellen Reeperbahn-Outfit Dieter anmachte und dabei diese Stimme hatte, so eine Stimme hat sie ja sonst nicht.« Und Hendrikje macht die raunende Lisa nach:
»Er ist ja nicht aus Seife.«
Wahrscheinlich hat sie Dieter deswegen aus dem Knast geholt, trotz seiner 127 Einbrüche, weil sie scharf auf ihn war.«
    »Und Sie konnten nicht einfach über die libidinösen Bemühungen Ihrer Freundin schmunzeln?«
    »Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass ich an diesem Tag über relativ wenig Dinge auf der Welt habe schmunzeln können«, sagt Hendrikje scharf. »Ich bin stattdessen mit dem Fahrrad heimgefahren, und unterwegs fing es zu regnen an, und ich dachte: Au ja, ich werde mich zu Hause in die Badewanne legen und mich selber libidinös bemühen. Ich werde mir ein Schaumbad einlaufen lassen mit mehr Schaum, als es die Omi je erlaubt hätte und mich selber nach Strich und Faden lieben.«
    »Und?«
    »Das klappte irgendwie überhaupt nicht. Ich kriegte keinen hoch, wenn Sie so wollen. Ich habe es nicht einmal bis in die Badewanne geschafft. Ich habe durchgeregnet wie ich war auf dem Sofa gesessen und mir von Herzen gewünscht, es käme ein Einbrecher, der mich einfach erschießt. Und auch dieser Wunsch blieb natürlich unerfüllt. Ich bin ins Bett gegangen und habe mir vorgestellt, wie ich zu Rothwein in die Galerie gehen würde, um ihm zu erklären, dass es keine Ausstellung geben könnte, jedenfalls nicht im März, und dass ich diesen Unfall im Café niemandem erzählen könnte, weil alle mich auslachen würden, allen voran meine Chefin, die meine Malerei ja sowieso nicht ernst nimmt und höchstens meckert, dass ich nach Terpentin rieche und damit die Gäste verjage. Ich lag im Bett und konnte nicht schlafen und dachte: Jetzt werde ich verrückt. Ich bin den ganzen zweiten Weihnachtstag im Bett geblieben, als es am Abend klingelte. Und obwohl ich wusste, dass Ernst noch im Skiurlaub war und noch nicht zurück sein konnte, war ich plötzlich glücklich weil ich dachte: Das
muss
er einfach sein, er hat sich ein Bein gebrochen und ist früher zurück, oh, Gott sei Dank, er ist zurück, und ich bin zur Tür gerannt und hab der Polizei aufgemacht.
Es waren zwei Zivilbeamte und die überbrachten mir eine Anzeige wegen Brandstiftung, denn die Feuerwehr hatte den Brandherd in meiner Atelierparzelle ausgemacht. Ich hab gefragt, ob bei dem Brand Menschen zu Schaden gekommen wären, und als die »Nein« sagten, war ich eine Sekunde lang wahnsinnig erleichtert, für eine Sekunde fielen mir ganze Gebirge vom Herzen, nur damit ich gleich darauf vor Wut hätte aus der Haut fahren können. Jetzt erst konnte ich mich so richtig dem Verlust meiner Bilder in vollen Zügen widmen, ganz ungebremst und ausschließlich.
    Ich musste mit auf die Wache und da habe ich der Polizei den ganzen Vorgang geschildert und auch, dass meine Bilder nicht versichert waren, ich hätte also wirklich keinen Grund gehabt, drei Monate vor meiner ersten großen Ausstellung mein Atelier mit meinen Arbeiten anzuzünden. Ich habe denen erklärt, dass ich Paula im Atelier habe übernachten lassen, und auch den Grund, warum ich sie nicht mit heim genommen habe, und da haben die gesagt, das kann jeder sagen:
›Ich war’s nicht, jemand anders ist es gewesen‹,
und selbst wenn, also selbst wenn ich eine Landstreicherin in meinem Atelier hätte übernachten lassen, dann wäre das grob fahrlässig von mir gewesen, und ich wäre haftbar zu machen, denn ich wäre ja die Mieterin gewesen. Ich hab die beiden Polizisten gefragt, was ich denn hätte machen sollen, Paula draußen in der Kälte sitzen lassen? Und dann rutschte mir raus: ›Scheiße, hätte ich Paula doch nur mit heim genommen!‹ Und da haben die beiden gelacht und gesagt: ›Seien Sie doch froh, sonst hätten Sie jetzt ’ne abgebrannte Wohnung!‹
Gut, meine

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