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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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etwas glauben, sondern
damit, dass sie nicht glauben.
    ›Lady, dieses Schiff kann nicht einmal Gott
versenken‹, soll ein Matrose einer Dame gesagt
haben, die sich plötzlich zierte, sich wie
geplant auf der Titanic einzuschiffen. Das
Theater im Hafen von Southampton kann
sich jeder leicht vorstellen: der Ehemann sofort
sauer, dass seine Alte Zicken macht. Die
Tickets haben ein Vermögen gekostet, man
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hat sich für die Reise neu eingekleidet und sich
auf Wunsch von Madame (!) im feinsten Hotel
New Yorks angemeldet, die Geschäftspartner
warten, aber Madame ist plötzlich empfindsam
und hat gar kein gutes Gefühl. Eine
Scheidungskrise droht, das ist Madame sofort
klar, wenn sie ihren Ehemann nur ansieht,
und in Blitzgeschwindigkeit läuft in ihrem
Kopf der Kurzfilm ab:
Wie ich im London des Jahres 1912 als geschiedene Frau im Allgemeinen und unter besonderer Berücksichtigung der Opernsaison leben werde.
Da sind die Vorwürfe
der Eltern zu bedenken, der Verlust des
Sorgerechts für das Kind, das beengte Leben
in einem kleinen Apartment ohne Personal,
die knappe Apanage, die gesellschaftliche Demütigung
, die narzisstische Kränkung durch
eine jüngere Nachfolgerin und der Verlust des
Logenabonnements … und schon stiefelt Madame
mit dem schlechten Gefühl entschlossen
an Bord. Der Rest ist Geschichte.
    In den Iden des März hatte Cäsar genau so
ein Eheproblem. Sein Weib Calpurnia hatte
schlecht geträumt und bat Cäsar innigst, nicht
in den Senat zu gehen, wenigstens nicht heute
. Da war natürlich Zoff angesagt, Frauen
glauben offenbar immer, Männer gingen ins
Büro um sie, die Frauen, zu ärgern. Also
schmeißt Cäsar wütend seine Toga über die
Schulter, nimmt seine Schriftrollen und geht –
selbstverständlich! – in den Senat. Er kann
verdammt noch mal nicht zu Hause bleiben,
weil Calpurnia schlecht träumt! Er durch
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Rom, hoch die Stufen zum Senat und dann
aber das große Staunen: ›Auch du, mein
Sohn?!!‹
    Nein, lieber Leser, wir wissen nicht, was geschieht
, wenn wir in ein Flugzeug steigen oder
zur Arbeit gehen – und wir würden es nicht
bleiben lassen, wenn man es uns vorher sagte.
Das alte Jahr hätte schlicht nicht stattgefunden
, wenn wir irgendetwas geahnt hätten von
dem, was uns zustoßen würde. Wir hätten
nicht einmal einen Faden durch eine Nadel gezogen
, um einen Socken zu stopfen, denn der
Socken hätte ja erst gar kein Loch bekommen.
In der Stunde seines Todes: Hätte Cäsar da
gewünscht, als einfacher Olivenbauer vor den
Toren Roms gelebt, um das Unglück vermieden
zu haben? Kann ich mir nicht vorstellen.
    Um Missverständnisse zu vermeiden: Wenig
Böseres ist denkbar, als das vollbesetzte
World Trade Center einstürzen zu lassen, aber
was, wenn es nie erbaut worden wäre …?
Dann würden auf der Insel Manhattan heute
noch Indianer wohnen, und das wäre ja tatsächlich
… äh, nee. ’tschuldigung. Das war
jetzt ein blödes Beispiel.
    Was ich sagen wollte, war eigentlich: Katastrophen
vermeiden hieße das Leben vermeiden
, und das Leben ist nicht, wie es ein Nachkriegsgerücht
besagt, nett.
    Nun, lieber Leser, haben Sie Appetit bekommen
auf ein neues Jahr? Sollen wir den
Socken noch mal stopfen? Wenn ja, denken
Sie daran, was mein leider nicht mehr lebender
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Opa sagte: Es reicht nicht, die Dinge zu
tun, du musst sie auch gut tun.
    Ihr, vom Chefredakteur unter Androhung
des Rausschmisses zu ›etwas Positivem zum
Neuen Jahr‹ gezwungener
    Sugar Brown
    »Das war Sugar Browns Neujahrskolumne«, erklärt Hendrikje der Palmenberg und fügt, während sie den ausgeschnittenen Zeitungsartikel
     wieder zusammenfaltet und in die Hosentasche steckt, hinzu: »Ich wollte zum ersten Mal dem doofen Bruno recht geben, der einmal
     über eine andere Sugar-Brown-Kolumne gesagt hat: ›Der Typ schreibt den Scheiß nur für Geld.‹«
    »Aber warum denn?«, fragt die Palmenberg. »Das passt doch sehr zu Ihrer Situation.«
    »So was kann nur einer schreiben, der keine Ahnung von persönlichen Katastrophen hat. Ich meine, klar, rein theoretisch hat
     er recht, den Socken noch mal stopfen, das ist natürlich ein edler Vorsatz, nur war ich Anfang des Jahres in der Situation,
     nicht mal mehr einen Faden zu haben. So was vergessen die Klugscheißer immer.«
    Die Palmenberg seufzt und schaut Hendrikje mit leichter Resignation an. »Also gut, lassen wir Sugar Brown. Was geschah als
     Nächstes? Bleiben Sie bitte streng in der Chronologie.«
    »Ja. In den ersten Januartagen war das mit

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