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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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das Leben gerettet hat
     und sogar da war, hier in Santa Fu, aber gleich wieder ging, als er hörte, dass sie nicht nur eine, sondern gleich zwei Seelen
     auf dem Gewissen hat.
    »Und deswegen heulst du?« Gudrun will es gar nicht fassen können.
    Hendrikje nickt und zieht den Rotz in ihrer Nase hoch. »Ja. Deswegen heule ich.«
    »Ach, Kerle«, sagt Gudrun, »die ziehen doch jedesmal ’ne Show ab. Ist doch klar, dass der dir nicht um den Hals fällt, wenn
     du ihm das auch noch auf die Nase bindest. Wenn ich ’raus komm und irgend ’nen netten Typen kennenlerne, werd ich dem ja auch
     nicht gleich erzählen, was ich mit meinem Chef gemacht hab.«
    »Solltest du aber.«
    »Wieso?«
    »Dann nimmt der sich nicht so viel raus.«
    »Ein bisschen was soll er sich aber rausnehmen, oder?«, grinst Gudrun.
    »Wer? Bruno? Nee, darum geht’s hier nicht, nicht mit Bruno.«
    »Sonst würdste ja nicht heulen. Dann schreibste dem halt noch mal. Schreibste ihm, dass er noch mal kommen soll.«
    Aber Hendrikje jault nur noch lauter und elendiger auf als vorher.
    |170| »Ich zeig dir mal was«, sagt Gudrun und steigt aus dem Bett. »Steh mal auf.«
    Hendrikje kriecht aus dem Bett und stellt sich arglos vor Gudrun hin, und die nimmt Hendrikjes rechten Arm und dreht ihn ihr
     mit einer gekonnten Bewegung schmerzhaft auf den Rücken, bis Hendrikje vor Schmerzen aufschreit. So hält Gudrun sie einen
     Augenblick im Polizeigriff fest und sagt: »Und gut is.«
    Dann lässt Gudrun sie los und geht wieder ins Bett, aber Hendrikje hat die Botschaft verstanden.
Und gut is
ist ein Kommando, das heißt, dass Gudrun jetzt entweder schläft oder mordet, eins von beiden.
    Hendrikje hört also lieber auf zu heulen, geht zurück in ihr Bett und ärgert sich, dass sie jetzt Gudrun eingeweiht hat, was
     weiß denn die. Da hätte sie ja auch gleich alles der Palmenberg auf die Nase binden können. Mist. Es ist Mist, wenn die anderen
     die Geheimnisse kennen, Mist. Und da schläft Hendrikje auch schon ein.
     
    Lieber Bruno,
    ich habe mich neulich sehr über Deinen Besuch gefreut. Es
war richtig nett von Dir, dass Du den weiten Weg nach
Fuhlsbüttel raus gemacht hast, nachdem Du ja auch schon
erst in Altona im Abbruchhaus warst, und das kostet ja alles
Zeit. Ich habe hier drinnen ja so viel Zeit, dass ich echt
noch welche verschenken könnte. Oder ich könnte einen
Zeittotschläger engagieren. Ha ha, kleiner Scherz.
    Na, jedenfalls, ich hatte ganz vergessen, Dir Deine Anziehsachen
zurückzugeben, die Du mir geliehen hattest. Sie
lagen frisch gewaschen oben auf Stube, aber ich hatte dann
ganz vergessen, sie mit runterzunehmen und Dir zurückzugeben
. Sie fehlen Dir ja vielleicht. Na ja, ich kann sie Dir ja
nicht vorbeibringen, kleiner Kein-Scherz.
    |171|
Also, wenn sie Dir sehr fehlen würden, dann müsstest Du
leider noch mal vorbeikommen, damit ich sie Dir geben
könnte, anders ginge es irgendwie nicht.
    Ich habe jetzt schon 12 Monate meiner Strafe verbüßt,
und wenn das mit dem letzten Drittel klappt, dann muss ich
nur noch 16 Monate einsitzen. Jedenfalls, es wird vorbeigehen
, so viel ist sicher.
    Ich hoffe, Deine Sachen fehlen Dir.
    Hendrikje
     
    Diesen Brief zeigt Hendrikje niemandem, nicht der Palmenberg und nicht Gudrun, und als Gudrun fragt, ob sie denn dem Typen
     noch mal geschrieben hätte, da sagt sie: »Nö«, denn es ist nicht gut, wenn die anderen die Geheimnisse kennen, echt nicht.

|172| 13
    Hendrikje öffnet die Geschirrspülmaschine und lehnt sich dabei mit dem Oberkörper weit zurück, um dem austretenden heißen
     Dampf auszuweichen. Dann beginnt sie, die heißen Untertassen und Teller auszuräumen, aber sie fasst die Biester nur noch mit
     Küchenhandtüchern an, um sich nicht ewig die Finger zu verbrennen, und ganz langsam türmt sie die kleinen und großen Teller
     zu hohen Stapeln auf, denn sie muss sich ja hier eigentlich gar nicht so beeilen, schließlich steht hier ja keine Goebbels
     hinter ihr, die sie anschreien würde. Also, gemach und nur die Ruhe, denn wenn sie eins hier hat, dann hat sie Zeit.
    Sie guckt im Fernsehraum vorbei, wo sie in der Zeitung von gestern die Sugar-Brown-Kolumne liest, die sie erst lustig und
     dann auch wieder nicht so lustig findet. Sie reißt sie – das haben ihr die anderen Frauen erlaubt – aus der Zeitung raus,
     die Sugar-Brown-Kolumne, um sie in ihrer Mappe zu sammeln und um sie auch der Palmenberg am nächsten Tag vorzulesen.
    »Also jetzt hören Sie sich das mal an«, sagt

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