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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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›Du zuerst! Lass dich fallen!‹ Und dann hab ich meistens den Kopf geschüttelt und musste passen und Ernst ließ
     sich fallen.«
    »Haben Sie jemals einen Orgasmus bei Ernst gehabt?«
    »Nein.«
    |22| »Haben Sie Ernst geliebt?«
    »Ja.«
    »Warum genau, denken Sie, wollte Ihre Großmutter Ihre Bilder nicht im Haus haben?«
    »Ich habe einige Akte, einige Paare, Liebesszenen, nicht pornografisch, aber schon deutlich.«
    »Aber Ihren Geliebten, Ihren Nicht-Freund Ernst wollte Ihre Großmutter im Haus haben?«
    »Es hatte sich so eingespielt, dass die beiden sich so gut wie nie begegnet sind. Ernsts Arbeitszeiten kamen mir da sehr entgegen.«
    »Was heißt das?«
    »Naja, die Omi ist nie wirklich begeistert gewesen, wenn ich Herrenbesuch hatte, sozusagen.«
    »Erzählen Sie mir das bitte ein bisschen genauer.«
    »Naja, als ich zum Beispiel noch auf der Kunsthochschule studiert habe, da hatte ich einen richtigen Freund. Adrian aus der
     Filmklasse, naja, das wurde dann schnell schwierig.«
    »?«
    »Ja, Adrian wollte irgendwann mit mir zusammenziehen, und ich habe Nein gesagt, ich konnte doch die Omi nicht allein lassen,
     sie war damals schon Ende 80, und unsere gemeinsame Wohnung ist im dritten Stock, es war ja klar, dass ich die Omi in ihren
     letzten Jahren nicht allein lassen würde. Sie hat sich schließlich mein ganzes Leben lang um mich gekümmert.«
    »Wären Sie gern mit Adrian zusammengezogen?«
    »Die Frage stellte sich für mich gar nicht, es ging einfach nicht.«
    »Und das hat Adrian nicht eingesehen?«
    »Doch. Adrian hat das eingesehen.«
    »Und?«
    »Adrian hat mich oft besucht. Uns besucht.«
    |23| »Und Adrian und Ihre Großmutter, die haben sich nicht gut verstanden?«
    Hendrikje schweigt lange. Überlegt. Denkt nach und beißt auf ihrer Unterlippe herum.
    »Ach, es ging irgendwie nicht. Ich hab mich geschämt, weil ich da irgendwie nicht einfach so frei von der Leber weg entscheiden
     konnte. Ich wäre gerne mit Adrian zusammengezogen. Er war sehr lieb und immer lustig. Er kam an Markttagen mit Körben voll
     frischem Gemüse zu uns, mit Käse und Fleisch, er strahlte vor Freude über seine Beute, knallte alles der Omi auf den Küchentisch
     und sagte: ›Frau Schmidt, nun gucken Sie mal, was ich Ihnen hier mitgebracht habe!‹ Er dachte, er macht uns eine Freude, und
     er hat das ganze Gemüse bewusst der Omi auf den Tisch geknallt und nicht mir, um sie ganz bewusst mit einzubeziehen. Er dachte,
     die Omi kocht uns was und dann essen wir alles zusammen auf, er fand das irgendwie richtig gut, dass ich bei der Omi geblieben
     war und zu ihr stand, aber die Omi war beleidigt, sie sagte ihm ins Gesicht: ›Wir brauchen Ihre Almosen nicht!‹ und rauschte
     beleidigt aus der Küche raus, und der arme Adrian verstand die Welt nicht mehr. Wenn Adrian dann gegangen war und ich mit
     der Omi allein war, hat sie sich aufgeregt, sie ließe sich von so einem reichen Schnösel in ihrem Alter doch nicht mehr demütigen,
     er solle bloß nicht so angeben mit seinem Geld und seinen Möglichkeiten. Adrian hat wirklich reiche Eltern, die ihm sein Studium
     und reichlich Taschengeld bezahlt haben, er musste zum Beispiel nicht nebenher arbeiten und er hatte ein Auto und alles war
     bezahlt, aber er hat nie, nie angegeben oder sich wie ein Großkotz verhalten, aber er war nicht die Sache meiner Omi, ehrlich
     nicht. Er war ein rotes Tuch für sie, das mit dem Geld, das war ihr nicht geheuer. ›Der spielt nur mit dir‹, sagte sie immer,
     ›so’n reicher Kerl hat |24| dich doch gar nicht nötig.‹ Wenn ich ihr versucht habe zu erklären, dass es Adrian und mir überhaupt nicht darum ging, dann
     hat sie das nicht geglaubt. Naja. Ich konnte nur extrem selten über Nacht mal weg und bei Adrian bleiben, und aus verständlichen
     Gründen wollte er immer seltener bei uns übernachten, und so war’s dann irgendwann mit Adrian vorbei.«
    »Ihre Großmutter hat ihn also rausgeekelt.«
    »Waaas? Nein!« Hendrikje ist ganz Empörung und Unverständnis. »Sie hat ihn doch nicht rausgeekelt, sie machte sich Sorgen!«
    »Ja natürlich, sie machte sich Sorgen, Sie an Adrian zu verlieren.«
    »Nein, nein! So doof war meine Omi nicht! Sie glaubte ernsthaft, Adrian würde mit mir spielen!«
    »Darum wollte Adrian ja auch so unehrenhaft mit Ihnen zusammenziehen.«
    Hendrikje starrt die Palmenberg mit offenem Mund an. Aussichtslos, der Psychotussie was erklären zu wollen. Massive Unterstellungen
     gegen die Omi. Hendrikjes

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