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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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kann doch nicht den Rest meiner Tage im Haus bleiben, von Leibwächtern bewacht und von Weibern versorgt. Ich muss meine Unschuld beweisen. Ich bin hereingelegt worden.«
    »Ja, das sagtest du schon. Von Graf Ottmar de Bruce.« Erhard Füger seufzte. »Gegen diesen Mann kannst du nichts ausrichten, Wendel. Er ist zu mächtig. Schlag dir das aus dem Kopf. Selbst wenn du hundertmal im Recht bist, es wird dir nichts nützen. Besser ist es, den Esslingern einen Handel vorzuschlagen.«
    »Einen Handel? Bei Mord?«
    »Der Rat steht hinter mir. Der alte Rengert ist pleite, und er wird nichts einzuwenden haben gegen eine anständige Unterstützung aus Reutlingen, von Zunftbrüdern sozusagen, die sein Leid teilen.«
    »Aber Vater.« Wendel griff nach Erhards Arm. »Ich habe es nicht getan! Der wahre Mörder läuft noch frei herum.«
    Erhard Füger blickte seinen Sohn an. »Daran zweifelt niemand hier in Reutlingen, das versichere ich dir. Du bist ein guter Junge, du glaubst an Gerechtigkeit. Leider ist das Schicksal oft ungerecht und launisch. Wahre Gerechtigkeit gibt es nur bei Gott dem Herrn, am Tage des Jüngsten Gerichts. Aber ich will dir entgegenkommen und dir deinen Antonius wieder als Leibwächter zur Seite stellen, weil ich es schätze, dass du dich für ihn einsetzt. Allerdings darfst du in nächster Zeit noch nicht das Haus verlassen. Auch nicht mit deinem Leibwächter. Einverstanden?«
    Wendel nickte schweren Herzens. »Einverstanden.«
    Erhard Füger klopfte ihm auf die Schulter, dann wurde sein Blick wieder ernst. »Bist du bereit, über deine Flucht zu sprechen? Ist es wahr, dass der Henker dir geholfen hat? Wie viel Geld hast du ihm dafür geboten?«
    »Geld? Keinen Heller, Vater, ich schwöre es. Der Mann hat von sich aus gehandelt, ich weiß nicht, warum. Ich weiß nur, dass er von meiner Unschuld überzeugt war.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Er ist stumm, Vater, er hat es auf eine Wachstafel geschrieben.«
    »Glaubst du, dass er dir deshalb geholfen hat? Weil er an deine Unschuld glaubt?«
    Wendel zuckte mit den Schultern. Er hatte sich in den letzten Tagen immer wieder den Kopf darüber zerbrochen, warum der Henker ihm zur Flucht verholfen hatte. Dass der Mann lediglich einem Unschuldigen hatte helfen wollen, erschien ihm nicht glaubhaft. Schließlich hatte er alles aufs Spiel gesetzt, seine Arbeit, sein Haus, sein Leben. Wenn die Esslinger ihn zu fassen bekamen, würden sie kurzen Prozess mit ihm machen. Steckte also doch de Bruce dahinter? Versteckte er den flüchtigen Scharfrichter vielleicht sogar auf seiner Burg? Aber was bezweckte de Bruce mit diesem Winkelzug? Warum betrieb er diesen Aufwand, um Wendel erst in den Kerker und dann wieder freizubekommen?
    Wendel war sicher, dass er des Rätsels Lösung kannte. Dass sie irgendwo in den hintersten Kammern seines Gedächtnisses schlummerte. Doch der Abend der Brautschau, die bierselige Nacht und der verkaterte Morgen mit dem Henker auf der Brache waren ein wirres Durcheinander aus Bildern, Wortfetzen und Gerüchen. All das ergab keinen Sinn, egal wie er es drehte und wendete. Er wusste ja nicht einmal, wann und warum er sich Ottmar de Bruce’ Zorn zugezogen hatte.
    »Ich weiß nicht, warum der Henker mir geholfen hat«, sagte Wendel schließlich. »Und ich werde es wohl nie erfahren.«
***
    Dorf für Dorf, Fronhof für Fronhof hatten sie abgesucht und nichts gefunden. Sie mussten eine Rast einlegen, sich stärken und ausruhen, obgleich von Säckingen wusste, dass seine Zeit langsam ablief. Ohne das Narbengesicht durfte er de Bruce nicht unter die Augen kommen, es wäre sein sicherer Tod.
    Er sprang vom Pferd und drückte die Zügel einem der Knechte in die Hand. »Wir wollen essen und trinken und ein Lager für die Nacht.«
    Gemeinsam mit seinen Männern betrat er die Schankstube, die zu der Uracher Herberge gehörte. Drinnen war die Luft stickig und der Lärm so groß, dass man kaum sein eigenes Wort verstand. Gemeinsam ließen sich die Männer an einem freien Tisch nieder und bestellten lautstark Essen und Wein.
    Während die Söldner sich den Bauch vollschlugen und Becher um Becher eines billigen Fusels hinunterkippten, schmiedete von Säckingen Pläne. Ein Zug von italienischen Tuchhändlern hatte ihnen die ersehnte Auskunft erteilt. Die Händler berichteten von einem einsamen Reisenden, der sich geschwind ins Unterholz verdrückt habe, als er sie erblickte. Sie hätten ihm zwei bewaffnete Reiter hinterhergeschickt, da sie ihn für den Späher einer

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