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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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wagte sie nicht, sich zu rühren.
    »Ein Fuchsfell«, sagte der Mann, und Melisande hätte vor Erleichterung beinahe aufgeschluchzt.
    Er preschte auf seinem Rappen heran und schwenkte das Beweisstück wie eine Flagge. »Seit wann dürfen denn elende Bauern Füchse jagen? Wir sollten dem Frevler gleich hier eine Hand abschlagen. Was haltet Ihr davon?«
    Ida schrie auf, Hermann versteifte sich. Doch Melisande wurde plötzlich ganz ruhig. Ein Gedanke regte sich in ihr, sie konnte ihn noch nicht greifen, dennoch war er auf seltsame Weise tröstlich und verlieh ihr Kraft.
    »Lass gut sein«, sagte von Säckingen. »Wir sind keine Richter, und Füchse zu jagen, die den Hühnern nachstellen, ist nicht verboten, du Einfaltspinsel. Nimm das Fell mit. Das soll genügen.«
    Von Säckingens Kumpan hängte sich das Fell um, und Melisande klammerte sich an Hermanns Hand fest, damit er sich nicht auf den Dieb stürzte. Sie hob den Kopf und blickte von Säckingen geradewegs in die Augen. Es kehrte ein Moment der Stille ein. Dann wandte von Säckingen sich ab, brüllte einen Befehl. Die Räuber gaben ihren Pferden die Sporen und verschwanden. Hermann, Ida und Melisande blieben zurück, hielten sich in den Armen und weinten. Doch Melisandes Tränen schmeckten anders als zuvor.
***
    Konrad Sempach war der Appetit vergangen. Bis vor kurzem hätte er sich nicht vorstellen können, dass dies je geschehen könnte. Aber seit Remser ihm das Schreiben abgepresst hatte, konnte er von jeder Mahlzeit nur noch einen oder zwei Happen essen. Wein vertrug er auch nicht mehr richtig. Sein Magen rumorte, die Gedärme blähten sich. Es ging Sempach so schlecht wie schon lange nicht mehr. Allein die Lust auf junge Mädchen war ihm geblieben, aber das Angebot war zurzeit erbärmlich, denn er kam einfach nicht dazu, die Geschäfte ins Rollen zu bringen.
    Es klopfte an der Tür.
    »Ja?«, rief Konrad Sempach und stellte angeekelt die Schale Tee auf den Tisch. Der Medicus hatte ihm dazu geraten, aber der Sud schmeckte wie flüssige Pferdeäpfel.
    »Der Bote, nach dem Ihr habt rufen lassen, Herr.«
    »Er soll hereinkommen.« Sempach betrachtete den Brief, der bereits gefaltet und versiegelt war. Er hatte ihn nicht auf Pergament, sondern auf Papier geschrieben, diesen seltsamen neuartigen Beschreibstoff aus dem fernen Valencia, der aus zerstampften Lumpen bestand. Es hieß, dass Papier nicht sehr lange haltbar sei. Mit ein wenig Glück würde der schmachvolle Brief, den er in Remsers Auftrag verfasst hatte, also recht bald wieder zerfallen.
    Der Gedanke gefiel ihm. Wie erwartet hatte der Rat das Schreiben wohlwollend aufgenommen und ihn aufgefordert, es sofort loszuschicken. Nur Karl Schedel hatte Bedenken angemeldet, weil es ihm unpassend erschien, die Flucht des Reutlingers überhaupt zu erwähnen. Zudem hatte er etwas von einer Entschädigung gefaselt. Dieser Schwachkopf. Entschädigung! Nicht zu fassen. Diesen Schedel würde er als Ersten kaltstellen, wenn er erst Schultheiß war. Der Reutlinger hätte einfach besser auf sein Messer Acht geben sollen, dann wäre das alles nie geschehen. Der ganze Schlamassel war seine Schuld, und er konnte froh sein, dass er so glimpflich davongekommen war, war doch eigentlich er es, der den Esslingern Abbitte leisten müsste, und nicht umgekehrt. Aber Karl Schedel neigte ja grundsätzlich dazu, dem ehrwürdigen Rat die Arbeit zu erschweren. Pah! Armseliger Handwerker! Dieses Pack taugte nicht dazu, die Geschicke einer Stadt zu lenken.
    Wieder klopfte es. Ein junger Bursche mit strähnigem mausgrauen Haar trat ein und blieb bei der Tür stehen. Es war Petter, der als Bote für die Stadt Esslingen tätig war. Vor allem aber arbeitete er für Sempach.
    »Komm näher, Junge.« Sempach winkte ihn zu sich heran. »Gibt es Neuigkeiten?«
    »Nicht viele, Herr. Die alte Kämmerin ist verstorben, und die Erben haben schon angefangen zu streiten. Auf der Baustelle zur Frauenkirche hat es schon wieder einen Unfall gegeben. Wie durch ein Wunder ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen. Und von der Adlerburg hört man auch so einiges.«
    Sempach zog die Brauen hoch. »Ach, was denn?«
    »Der Graf soll sich mit seinem Hauptmann überworfen haben. Genaues weiß niemand. Doch der Hauptmann, ein gewisser Eberhard von Säckingen, hat sich mit ein paar Getreuen auf die Suche nach einem Narbengesicht gemacht. Und er wütet so arg durch das Land, dass der Raubritter Friedrich von der Kronenburg – der Teufel möge seiner armen Seele gnädig

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