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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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de Bruce. Was wollte er hier?
    »Heda, Mädchen!«, rief von Säckingen. »Ist niemand sonst zu Hause?«
    »Doch, doch«, stammelte Melisande. »Ich bin nicht allein. Die anderen sind bei der Arbeit.«
    Der Ritter starrte sie an, ohne zu antworten.
    »Ich bin nur die Magd«, fügte Melisande rasch hinzu. Das Schweigen des Ritters beunruhigte sie. »Soll ich meinen Herrn holen?«
    »Die Magd, so, so.« Von Säckingen hatte offenbar seine Stimme wiedergefunden, doch noch immer wandte er seinen Blick nicht von ihr ab. »Wie kommt es dann, dass Ihr nicht gekleidet seid wie eine Magd?«
    Melisande senkte den Kopf. Von Säckingen war der Erste, dem ihre unpassende Kleidung auffiel. Er war schlau, würde sich nicht mit einer billigen Erklärung zufriedengeben. Sie musste ihn auf andere Gedanken bringen. Gerade wollte sie zu einer kecken Erwiderung ansetzen, als er ihr mit einer Handbewegung Einhalt gebot.
    »Wir sind auf der Suche nach einem Mann«, erklärte er barsch. »Er hat eine auffällige Narbe, die sein Gesicht entstellt. Habt Ihr jemanden gesehen, auf den die Beschreibung passt?«
    Melisande schüttelte den Kopf. »Gesehen habe ich niemanden.«
    »Aber?« Von Säckingen beäugte sie aufmerksam. Noch immer hatte sie das Gefühl, dass er mehr an ihr selbst als an ihren Worten interessiert war. Doch wen sah er in ihr? Den Henker von Esslingen, das Mädchen, dessen Familie er vor fünf Jahren mitgeholfen hatte abzuschlachten, oder einfach eine junge Frau, deren Züge er anziehend fand? Seltsamerweise verspürte Melisande keine Angst. Nur ein merkwürdiges Ziehen im Unterleib.
    Ida brach schließlich den Bann. »Mechthild, wo bleibt das Wasser? Beeil dich, Mädchen, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
    »Ich komme gleich!«, rief Melisande ihr zu. Dann knickste sie. »Mein Herr, kann ich noch etwas für Euch tun?«
    Eberhard von Säckingen verneinte. Mit einem Mal schien ein Ruck durch seinen Körper zu gehen, als erwache er aus einem Traum. Er lächelte boshaft. »Durchsucht den Hof, und wenn ihr ihn findet, bringt ihn mir ja lebend!«, befahl er seinen Männern, ohne den Blick von Melisande abzuwenden. »Wollen wir doch mal sehen, was das Wort dieser kleinen rothaarigen Magd wert ist.«
    Die Reiter preschten los. Anders als der Trupp aus Esslingen hinterließen die Männer eine Spur der Zerstörung. Die Ritter traten Türen ein, wo sie noch welche vorfanden, schlitzten das Laken auf, das Ida am Morgen gewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte, und drangen in das kleine Wohnhaus des Ehepaars ein, wo sie Krüge und Schüsseln mit Vorräten auf den Boden kippten.
    Melisande nahm die schreiende Ida in den Arm und tröstete sie. Sie vermied es, Eberhard von Säckingen anzusehen, der seine Männer gewähren ließ, ohne sich zu regen.
    »Was geht hier vor?«, fragte Hermann leise. Die Schreie seiner Frau hatten ihn aus dem Gerberhaus geholt. »Wer sind diese Männer?«
    »Sie suchen jemanden«, wisperte Melisande zurück. »Einen Mann mit einer Narbe im Gesicht.«
    »Warum kommen in letzter Zeit alle hierher, um Flüchtige zu suchen?«, stieß Hermann wütend hervor. »Was ist nur los? Monatelang haben wir hier oben unbehelligt gelebt, und mit einem Mal taucht eine wilde Bande nach der anderen auf und stört uns in unserem Frieden.«
    »Sie haben alles kaputt gemacht.« Ida wimmerte leise, dass es Melisande fast das Herz zerriss. »Das Butterfass liegt am Boden, die Milch ist verschüttet, Krüge, Becher, alles ist hin!«
    Melisandes Mitleid wandelte sich in ungeheure Wut. Der innere Friede, den sie beim Aufstehen verspürt hatte, war dahin, zertreten von diesem Verbrecher Eberhard von Säckingen, dem sie am liebsten Nerthus zu schmecken gegeben hätte. Doch im Augenblick war sie machtlos. Selbst wenn sie ihr Schwert zur Hand gehabt hätte, diese Barbaren waren zu fünft, allesamt erprobte Kämpfer. Einen oder zwei hätte sie überwinden können, aber was hätte das genutzt? Sie hätte nicht nur sich selbst dem Tod preisgegeben. Der Hase! Sie musste an den Hasen denken! Eine Unvorsichtigkeit, ein unbedachtes Wort, und auch sie zappelte in den Fängen des Uhus. Sie musste ruhig bleiben, sich in Geduld fassen. Im Versteck bleiben. Bis sie selbst der Uhu sein würde, der seine Krallen in die Beute schlug.
    »Seht mal, was ich gefunden habe«, rief einer der Männer vom hinteren Teil des Hofes her.
    Melisande fielen ihre Habseligkeiten ein, die sie zusammen mit dem Henkersgewand in der Mühle versteckt hatte. Vor Angst

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