Henkersmahl
den an Paul Seeland. Er war es übrigens auch, der bei Ihrem Freund eingebrochen hat.«
»Ich habe mir fast so etwas gedacht«, sagte Florian. »Wer hat ihn beauftragt?«
»Darüber schweigt er sich aus, aber wir haben die Aussage des ›Agrotecc‹-Geschäftsführers. Er behauptet, dass er die Muttergesellschaft Frazer Chemicals vor zwei Wochen darüber informiert hat, dass der TV-Journalist Max Kilian ein Interview mit Paul Seeland über die gentechnisch veränderten Weinreben führen wollte. Eine Woche später habe er aus den USA den Auftrag erhalten, einem Mann namens Svoboda einige Gramm Botulinumtoxin auszuhändigen. Er habe weder gewusst, wofür Svoboda das Mittel benötige, noch habe er den Mann je zuvor gesehen. Schriftliche Beweise dafür, dass eine entsprechende Anweisung von Frazer kam, gibt es selbstverständlich nicht.
»Max ist also für ›Agrotecc‹ zu gefährlich geworden.«
Rössner lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. »Wie die von ›Agrotecc‹ entwickelten Reben in Kombination mit Acetylsalicylsäure wirken würden, hat natürlich niemand geahnt. Jetzt hören Sie gut zu. Die veränderte Pflanze erzielte nicht nur die beabsichtigten Geschmacks- und Qualitätsverbesserungen, sondern veränderte auch, allerdings ungewollt, die chemische Struktur ihrer Anthocyane.«
»Anthocyane?«
»Gehören zur Gruppe der Flavonoide, das sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe. Das entstandene Anthocyane-Derivat bewirkte bei dem Spätburgunder übrigens auch die außergewöhnliche Farbe, was für sich allein betrachtet nicht schädlich ist.«
»Ja, und?«
»Das Derivat selbst ist völlig unauffällig. Erst durch die alkoholische Gärung in Kontakt mit der Hefe wird es in einen Stoff umgewandelt, der in Kombination mit Acetylsalicylsäure toxisch ist.«
»Hochinteressant.« Florian machte sich Notizen. »Steht die toxische Wirkung irgendwie in Zusammenhang mit der konsumierten Menge?«
»Eindeutig. Tödlich sind schon 1.000 Milligramm Acetylsalicylsäure in Kombination mit einem halben Liter des Weins, dessen Pflanzen Sie gestern so brav ausgebuddelt haben«, sagte der Kriminalhauptkommissar. »Wäre übrigens nicht nötig gewesen, wir hatten uns natürlich schon einige Reben besorgt. Aber vielleicht interessiert es Sie, zu erfahren, dass Dr. Barbara Weidner zu 50 Prozent am Verkaufserlös des gentechnisch veränderten Spätburgunders beteiligt sein sollte.«
Florian betrachtete die Grünpflanze am geöffneten Fenster, deren Blätter sich leicht im Wind wiegten. Er sagte: »Ein Ministerialbeamter nutzt seine politische Stellung und seinen Einfluss, um der Gentechnologie in Deutschland den Weg zu ebnen und sich selbst mithilfe seiner Frau, die den Strohmann spielt, an Produkten der Gentechnologie zu bereichern. Darüber werden wir heute Abend ausgiebig reden müssen.«
»Keine Frage.«
»Hat Burkhard Weidner für seine hilfreichen Dienste in der Politik eigentlich viel Geld kassiert?«
»Das Ehepaar verfügt über ein erstaunliches Vermögen, doch bislang können wir nicht nachweisen, dass es tatsächlich von Frazer Chemicals stammt. Wir haben bei dem Ahrwinzer einen Vertrag gefunden, in dem zwar von Aufwandsentschädigungen die Rede ist, jedoch nichts über die Höhe ausgesagt wird.«
Florian nickte, Rössner sprach von dem Schriftstück, das Eddie in der Nacht fotografiert hatte.
»Selbstverständlich sind die Gelder aus den USA oder Deutschland nicht direkt auf Barbara Weidners Konten geflossen. Frazer etwas nachzuweisen, dürfte schwierig werden. Das sind Profis.«
»Kriminelle«, verbesserte Florian ihn bitter und sagte: »Und in Brasilien sind die sogar schon einen ganzen Schritt weiter. Da haben sie anscheinend mit hohen Schmiergeldern bewirkt, dass das Anbauverbot gentechnisch veränderten Saatguts aufgehoben wird. Selbstverständlich gibt es auch dort keine eindeutigen Beweise, aber immerhin ist der Chef von Frazer Brasilien auch Mitglied der Regierungsbehörde für Biosicherheit, die Gensaatgut und Freilandversuche zulassen muss«, sagte Florian.
Kriminalhauptkommissar Marco Rössner sah ihn lange an. Keiner von beiden sagte ein Wort. Schließlich fuhr Florian fort: »Im Übrigen haben sich die europäischen Agrarminister nicht von den Warnungen aus Frankreich irritieren lassen, wonach genmanipulierter Mais der US-Firma Frazer, der versuchsweise an Ratten verfüttert wurde, bei den Tieren Nierenschaden und veränderte Blutwerte auslöst. Die Minister haben der Zulassung
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