Henns lustige Weinschule - Henn, C: Henns lustige Weinschule
danach zur Toilette und... Sie wissen schon. Ersparen Sie mir Details. Beim Wiedereintritt ins Wohnzimmer wäre ein Satz wie der Folgende sinnvoll: „Das war überhaupt keine Piemont Kirsche!” Nehmen Sie dann die Packung und schmeißen Sie sie weg. Der nächste Schritt ist sehr subtil, fragen Sie Ihre Gastgeber nur, wer Ihnen diesen Mist geschenkt hat, und raten Sie, die entsprechende Freundschaft zu kündigen. Ihre Gastgeber haben ab nun einen neuen Gott / eine neue Göttin in Geschmacksfragen, und das sind Sie. Und dafür müssen Sie nur eine eklige Praline essen. Auch Wein-Liebhaber müssen Opfer bringen. Die Welt ist nicht perfekt.
5. HENKERSMAHLZEIT
Diese Chance bietet sich leider nur Weintrinkern in den USA oder anderen unzivilisier ten Ländern. Also wandern Sie aus. Einen glorreicheren Abgang werden Sie kaum bekommen.
Begehen Sie irgendein Kapitalverbrechen. Stellen Sie sich dumm, damit Sie gefasst werden. Sitzen Sie Ihre Zeit in der Todeszelle ab. Dann ist es so weit: Lassen Sie sich für die Henkersmahlzeit einen grandiosen Wein kommen. Aber bedenken Sie Ihre Wahl, die Nachwelt wird Sie danach beurteilen! Ihre Wahl sollte auch in Jahrhunderten noch Ansehen haben. Ihre Kinder und Kindeskinder sollten ehrfürchtig nicken können, wenn sie davon hören.
Also wählen Sie einen Klassiker, keinen modischen Schmäh, der übermorgen schon wieder out ist. Also Bordeaux oder Burgund und nehmen Sie einen großen Jahrgang, am besten einen runden. Je runder, desto besser. 1900, 2000 – hervorragend! Für diese Flasche sollten Sie Ihr letztes Hemd (de facto) hergeben. Und wie gesagt: Nur große Namen! Romanee Conti, Mouton Rothschild, Lafite, Latour, Haut Brion etc. Aber nicht Valandraud, Tetre Roteboeuf, selbst nicht Leroy. Wer weiß, was aus diesen Gütern wird? Spielen Sie nicht mit der Ewigkeit!
Was essen Sie dazu? Nichts! Ha! Das setzt dem Ganzen noch das I-Tüpfelchen auf. Sie sind Purist. Falls Sie tatsächlich Hunger haben sollten (da müssen Sie durch), ist allerhöchstens neutrales Weißbrot oder aber ein feinst abgestimmter Käse drin. Aber ohne ist besser. Verweigern Sie feste Nahrung. Und nehmen Sie das letzte Glas Wein mit zum Schafott. Grandios! In Frankreich wird man Ihnen ein Denkmal setzen! Also: Nutzen Sie auch die letzte Chance, ordentlich anzugeben. Es kommt keine bessere mehr.
6. EINWEIHUNGSPARTY
Zu einem solchen Anlass werden oft viele Personen eingeladen, die man noch nicht kennt – die Bühne ist also groß! Kommen Sie etwas später zur Party, um sich den „Wer-kommt-denn-da-noch?”-Auftritt zu sichern. Lassen Sie sich die Wohnung / das Haus zeigen, finden Sie unauffällig heraus, wo die Küche ist. Das ist Ihr Zielort! Überreichen Sie hier Ihr Einweihungsgeschenk – selbstverständlich eine Flasche sehr guten Weines. Berichten Sie laut und ausführlich über Anbaugebiet, Jahrgang, Winzer und Geschmack. Seien Sie ruhig witzig! Sagen Sie, dieser Wein dürfe nicht als Schorle oder Saucen-Abschmecker enden, weil sonst der Internationale Weingerichtshof schwere Sanktionen aussprechen würde. Jetzt ist Ihr Status klar. Sie brauchen keinen Vor- und keinen Nachnamen mehr. Sie sind der Weinpapst!
Es folgt Stufe zwei. Da es mittlerweile Mode geworden ist, einen „guten“Wein zu schenken, wird die Küche voll davon sein. Natürlich sind diese Weine alles andere als „gut”. Es sind einfach nur die teureren Flaschen von Aldi oder einem anderen Supermarkt, der auf dem Weg lag. Machen Sie genüsslich einen nach dem anderen runter. Die Leute lieben Verrisse (siehe entsprechende Kapitel) und werden Sie folglich lieben. Wer könnte schon einen so glänzenden Unterhalter mit solchem Weinwissen nicht mögen?
7. KUCHEN
Tja, am besten sind immer die Momente, wo es niemand erwartet. Bringen Sie Kuchen mit zu einem abendlichen Weinmenü im Kreise Ihrer Freunde. Als Dessert. Dann sagen Sie (gleichermaßen überrascht und fasziniert): „Das kann ja nicht wahr sein!”
Halten Sie Ihr Stück Torte begeistert in die Höhe. „So sieht man sich wieder.”
Die Gespräche um Sie herum sollten vor Überraschung erstorben sein. Falls noch keiner fragt, was Ihr spontaner Gefühlsausbruch zu bedeuten hat, fügen Sie hinzu: „Gestern hatte ich dich noch im Glas!”
Jetzt hören Ihnen alle zu – und halten Sie für vollkommen plemplem. Das wird sich ändern. Erzählen Sie, dass Sie gestern Abend noch den Wein eines berühmten deutschen Winzers (wenn möglich ein etwas größeres Weingut, z.B.
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