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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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hundsmiserable Berufsschule in Ipford abzuhauen und sich dort unter den Plebs zu mischen. Und das war alles Hilarys Schuld, weil sie dem Mädchen auch noch zugeredet hatte. Sie freilich würde das nicht so sehen und das Ganze ihm anlasten. Daher blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als etwas zu unternehmen, um sie wenigstens leidlich zu beschwichtigen. Vielleicht sollte er den Polizeidirektor anrufen und Charles zum Einschreiten bewegen. Seine Augen wanderten um den Tisch und blieben nachdenklich am Innenminister hängen. Das war die Lösung: ein Wort mit Freddie, bevor der ging, damit die Polizei direkt von oben Zunder bekam. Bis es ihm gelungen war, den Innenminister zu sprechen – ein schier unmögliches Vorhaben, das ihn schließlich dazu zwang, Freddie im Dunkeln vor dem Garderobenzimmer aufzulauern und unfreiwillig Zeuge einiger sehr offenherziger Bemerkungen der für diesen Abend angeheuerten Serviermädchen über sich selbst zu werden –, hatte sich Lord Lynchknowle in eine beachtliche Empörung hineingesteigert, die sich allerdings im wesentlichen auf das Gemeinwohl bezog. »Das ist nicht einfach nur eine persönliche Angelegenheit, Freddie«, erklärte er dem Innenminister, als dieser endlich davon überzeugt war, daß Lynchknowles Tochter wirklich tot war und ihr Vater sich nicht einen jener makabren Spaße erlaubt hatte, für die er schon als Schüler berüchtigt gewesen war. »In dieser grauenhaften Berufsschule war das Kind den Drogenhausierern doch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Du mußt dem ein Ende machen.«
    »Natürlich, natürlich«, entgegnete der Innenminister und suchte Rückhalt an einem Garderobenständer voller Spazierstöcke und Schirme. »Ich bin zutiefst betrübt ...«
    »Es nützt gar nichts, wenn ihr verdammten Politiker betrübt seid«, fuhr Lynchknowle fort, während er ihn in die Regenmäntel drängte. »Allmählich kann ich die Unzufriedenheit des einfachen Mannes von der Straße mit dem parlamentarischen System recht gut verstehen.« (Was der Innenminister bezweifelte.) »Aber mit Worten lassen sich Mißstände nicht beseitigen.« (Das bezweifelte der Innenminister nicht.) »Und deshalb will ich Taten sehen.«
    »Wirst du, Percy«, versicherte ihm der Innenminister. »Das garantiere ich dir. Ich werde gleich morgen früh als erstes die Topleute von Scotland Yard auf den Fall ansetzen, verlaß dich drauf.« Er holte das kleine Notizbuch aus der Tasche, mit dem er gewöhnlich einflußreiche Parteigänger zu beruhigen pflegte.
    »Wie hieß noch mal der Ort?«
    »Ipford«, sagte Lord Lynchknowle mit unvermindertem Groll.
    »Und sie ging dort auf die Universität?«
    »In die Berufsschule.«
    »Tatsächlich?« entgegnete der Innenminister, wobei er seinen Tonfall gerade ausreichend veränderte, um Lord Lynchknowles Entschlossenheit zu bremsen.
    »An allem ist nur ihre Mutter schuld«, verteidigte der sich. »Natürlich. Aber trotzdem, wenn man seinen Töchtern den Besuch einer technisch orientierten Berufsschule gestattet – nicht, daß ich etwas dagegen hätte, du verstehst, aber ein Mann in deiner Position kann gar nicht vorsichtig genug sein ...« Lady Lynchknowle, die sich in der Halle aufhielt, hatte diesen letzten Satz unglücklicherweise aufgeschnappt. »Was habt Ihr zwei Männer denn da in der Ecke zu tuscheln?« fragte sie schrill.
    »Nichts, Liebling, gar nichts«, sagte Lord Lynchknowle. Eine Stunde später, nachdem die Gäste gegangen waren, sollte er diese Bemerkung bitter bereuen.
    »Nichts?« kreischte Lady Lynchknowle, die sich inzwischen von den völlig unerwarteten Beileidsbezeugungen des Innenministers erholt hatte. »Du wagst es, dich hinzustellen und Pennys Tod als nichts zu bezeichnen?«
    »Aber ich stehe doch gar nicht, meine Liebe«, erwiderte Lynchknowle aus den Tiefen eines Sessels. Aber so leicht ließ sich seine Frau nicht ablenken.
    »Und du bist während des ganzen Essens dagehockt und hast gewußt, daß sie irgendwo auf einer Marmorplatte liegt? Ich habe ja schon immer gewußt, daß du ein gefühlloses Schwein bist, aber ...«
    »Was zum Teufel hätte ich denn sonst tun sollen?« schrie Lynchknowle, bevor sie richtig in Fahrt kommen konnte.
    »Vielleicht an die Tafel zurückkehren und verkünden, daß deine Tochter ein Junkie war? Du wärst da wohl begeistert gewesen, oder? Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie du ...«
    »Kannst du nicht«, gellte seine Frau so durchdringend, daß man es bis in den Dienstbotentrakt hören konnte. Lynchknowle

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