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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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sicher wie das Amen in der Kirche. Und so kam es, daß Hodge, während Flint nach Hause fuhr und sich vor dem Zubettgehen unklugerweise noch ein dunkles Bier gönnte, in seinem Büro saß und die Kampagne vorbereitete, die ihm seine Beförderung einbringen sollte.
    Zwei Stunden später hockte er noch immer da. Draußen waren die Straßenlaternen ausgegangen, und ganz Ipford schlief, aber Hodge, von beruflichen Hoffnungen und Ehrgeiz erfüllt, werkelte noch immer vor sich hin. Er hatte Flints Bericht über die Auffindung der Leiche recht sorgfältig studiert und ausnahmsweise keinen Fehler in den Schlußfolgerungen des Inspektors entdecken können, zumal sie auch durch den vorläufigen Bericht der Gerichtsmedizin bestätigt wurden. Das Opfer war an einer Überdosis Heroin, versetzt mit Leichenbalsam, gestorben. Für letzteren interessierte sich Hodge ganz besonders.
    »Amerikanisch«, murmelte er wieder und befragte den Polizeicomputer nach dem Verbreitungsgrad dieser Substanz in Großbritannien. Völlig unerheblich, wie er vermutet hatte. Trotzdem war diese Droge extrem gefährlich; sie war in den Staaten so rapide in Umlauf gekommen, daß man von ihr bereits als von der Syphilis der Drogenszene sprach. Wenn er diesen Fall knackte, würde der Name Hodge nicht nur in ganz Ipford bekannt sein, sondern über den Lord Lieutenant bis zum Innenminister vordringen und... Träumerisch verfolgte Hodge den Triumphzug seines Namens. Als er schließlich wieder in die Gegenwart zurückkehrte, öffnete er, von Zweifeln geplagt, Wilts Akte. Zur Zeit der Gummipuppenaffäre und ihrer verheerenden Folgen für Flints Karriere war er zwar noch nicht in Ipford gewesen, hatte jedoch in der Kantine davon gehört, wobei im Kollegenkreis Einigkeit darüber herrschte, daß Mr. Henry Wilt Inspektor Flint ganz schön zum Narren gehalten hatte. »Der hat ihn sauber auflaufen lassen«, lautete das allgemeine Urteilobwohl niemals geklärt worden war, was Wilt eigentlich wirklich im Schilde geführt hatte. Immerhin lief keiner, der alle Tassen im Schrank hatte, durch die Gegend und versenkte eine aufblasbare und mit den Kleidern der eigenen Frau drapierte Plastikpuppe in ein Bohrloch, in das tags darauf zwanzig Tonnen Beton gekippt wurden. Aber genau das hatte Wilt getan. Daraus folgte, daß Wilt entweder nicht ganz bei Trost war oder daß er damit ein anderes Verbrechen getarnt und jeden diesbezüglichen Verdacht von sich abgelenkt hatte. Wie auch immer – jedenfalls war der Sausack davongekommen und hatte Flint die Suppe gehörig versalzen. Also hegte Flint einen berechtigten Groll gegen diesen Bastard. Auch das war allgemein bekannt.
    Von daher war das Mißtrauen, mit dem sich Hodge Wilts Akte zuwandte und das Vernehmungsprotokoll las, durchaus berechtigt. Beim Lesen stellte sich allmählich ein gewisser düsterer Respekt vor Wilt ein. Obwohl man ihn tagelang nicht hatte schlafen lassen und mit Fragen bombardiert hatte, war der Kerl nicht um ein Jota von seiner Geschichte abgewichen; und er hatte Flint als den Trottel abgestempelt, der er ja auch war. Daß daher dieser Wilt Flint ein Dorn im Auge war, leuchtete Hodge natürlich ein. Doch vor allem sagte ihm seine Intuition, daß Wilt irgend etwas ausgefressen haben mußte. Es konnte gar nicht anders sein. Nur war der für den alten Schwachkopf eben zu schlau gewesen. Was wiederum erklärte, warum Flint bereit gewesen war, ihm die Akte auszuhändigen. Er wollte, daß dieser Wilt geschnappt wurde, was ja auch durchaus verständlich war. Dennoch wunderte Hodge etwas, daß der Kollege trotz seiner unverhohlenen Antipathie ihm gegenüber die Akte so bereitwillig herausgerückt hatte, aus der detailliert hervorging, was für ein Einfaltspinsel Flint war. Da mußte noch etwas anderes dahinterstecken. Vielleicht wußte der Alte, wann er sich geschlagen geben mußte. Geschlagen sah der in letzter Zeit wirklich aus und klang auch danach. Möglich, daß die Aushändigung der Akte ein schweigendes Eingeständnis dieser Tatsache war. Hodge lächelte in sich hinein. Er hatte immer gewußt, daß er der bessere Mann war und eines Tages Gelegenheit haben würde, das zu beweisen. Und jetzt war es soweit.
    Er wandte sich wieder Flints Bericht über Miss Lynchknowle zu und ging ihn sorgfältig durch. Er fand nichts an Flints Methoden auszusetzen; erst als er an die Stelle kam, die von Wilt und der Toilette handelte, sah Inspektor Hodge, wo der alte Mann einen Fehler begangen hatte. Er las sie ein zweites Mal.

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