Henry dreht Auf
er ihn dem unterzog, was er für künstliche Beatmung hielt; das sah so aus, daß er sich auf McCullams Körper warf und ihm damit auch noch das letzte Restchen Luft aus den Lungen herausquetschte.
»Gib ihm schon den verdammten Lebenskuß«, befahl ihm der Bär, aber der Bulle hatte so seine Bedenken. Für den Fall, daß McCullam nicht tot war, wollte er um keinen Preis derjenige sein, der ihn küßte, wenn er das Bewußtsein wiedererlangte, und falls McCullam ins Gras gebissen hatte, verspürte er wenig Lust, eine Leiche zu küssen.
»Elender Jammerlappen«, brüllte der Bär, als der Bulle seine Einstellung in dieser Sache kundtat. »Weg da, laß mich mal ran.« Aber McCullams Kälte ließ ihn zurückschaudern. »Ihr verdammten Mörder«, schrie er durch die Zellentür. »Diesmal haben Sie’s geschafft«, sagte der Direktor. Er hatte den Oberaufseher im Büro bei einer Tasse Tee angetroffen. »Sie und Ihre höllischen Beruhigungsmittel.«
»Ich?« fragte der Oberaufseher.
Der Direktor holte tief Luft. »Entweder ist McCullam tot oder er simuliert sehr überzeugend. Holen Sie mir zehn Aufseher und den Arzt. Wenn wir uns beeilen, ist er vielleicht noch zu retten.« Sie liefen den Gang hinunter, doch der Oberaufseher mußte erst noch überzeugt werden. »Ich habe ihm dieselbe Dosis wie allen anderen gegeben. Der macht Ihnen nur was vor.« Selbst als sie zehn Aufseher aufgetrieben hatten und vor der Zellentür standen, versuchte er die Angelegenheit noch hinauszuzögern. »Ich schlage vor, Sie überlassen das uns, Sir«, sagte er. »Wenn sie Geiseln nehmen, sollten Sie wenigstens draußen sein, um die Verhandlung zu führen. Sie wissen ja, daß wir es mit drei äußerst gefährlichen Männern zu tun haben.« Der Direktor hatte da so seine Zweifel. Zwei schienen ihm wahrscheinlicher.
Oberaufseher Blaggs schaute durch das Guckloch in die Zelle. »Könnte sich das Gesicht mit Kreide oder so etwas angeschmiert haben«, meinte er. »Der ist ein ganz gerissener Hund.«
»Und hat sich dabei auf Nimmerwiedersehen abgenippelt?«
»Der macht nie halbe Sachen, unser Mac«, meinte der Oberaufseher. »Also, auf geht’s. Weg von der Tür, ihr da drinnen. Wir kommen rein.« Einen Augenblick später war die Zelle voller Gefängnisaufseher, und in dem Handgemenge, das folgte, bekam der ehemalige McCullam post mortem einige Schrammen ab, die nicht gerade dazu beitrugen, sein Aussehen zu verbessern. Inzwischen gab es keinen Zweifel mehr, daß er tot war. Und es bedurfte wohl kaum des Gefängnisarztes, um festzustellen, daß der Tod infolge einer akuten Barbitursäurevergiftung eingetreten war. »Woher hätte ich denn wissen sollen, daß der Bulle und der Bär ihm ihre Portion Kakao auch noch geben?« klagte der Oberaufseher bei einer sofort einberufenen Krisensitzung im Büro des Direktors.
»Das werden Sie dem Untersuchungsbeauftragten des Innenministeriums schon genauer erklären müssen«, sagte der Direktor.
Sie wurden von einem Gefängnisbeamten unterbrochen, der meldete, man habe in McCullams verdreckter Matratze ein Drogendepot entdeckt. Der Direktor blickte hinaus in den dämmernden Morgen und seufzte.
»Ach, und noch was, Sir«, fuhr der Beamte fort. »Mr. Coven im Büro ist wieder eingefallen, wo er diese Stimme am Telefon schon mal gehört hat. Sie kam ihm ja gleich bekannt vor. Er meint, es war Mr. Wilt.«
»Mr. Wilt?« fragte der Direktor. »Wer zum Teufel ist Mr. Wilt?«
»Ein Lehrer von der Berufsschule, der McCullam Englischunterricht gegeben hat. Kommt jeden Montag.«
»McCullam? Er hat McCullam Englischunterricht gegeben? Und Coven ist sicher, daß er der Anrufer war?« Trotz seiner Erschöpfung war der Direktor jetzt hellwach. »Ganz sicher, Sir. Sagte gleich, die Stimme käme ihm bekannt vor, und als er hörte, daß Feuerwerks-Harry ins Gras gebissen hatte, brachte er beides miteinander in Verbindung.« Das hatte auch der Direktor getan. Und da seine Karriere auf dem Spiel stand, galt es, schnell und entschlossen zu handeln. »Also gut«, sagte er und setzte auf die Diskretion des Luftzugs, der unter der Tür entwich. »McCullam ist an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Das ist die offizielle Version. Als nächstes ...«
»Was soll das heißen, Lebensmittelvergiftung?« fragte der Gefängnisarzt. »Der Tod ist infolge einer Überdosis von Phenylethylbarbitursäure eingetreten, und ich werde mir nicht nachsagen lassen ...«
»Und wo war das Gift? In seinem Kakao natürlich«, schnauzte ihn der
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