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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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»Der Direktor sagte aus, Wilt sei in die Toilette im zweiten Stock gegangen, obwohl er die im vierten Stock hätte aufsuchen sollen.« Und weiter unten: »Wilts Sekretärin, Mrs. Bristol, erklärte, sie habe zu Wilt gesagt, er solle sich in das Lehrerinnen-WC im vierten Stock begeben, wo sie zuvor das Mädchen gesehen habe.« Das paßte durchaus zusammen und war vermutlich wieder einer von Mr. Wilts schlauen kleinen Schachzügen – die falsche Toilette aufzusuchen. Aber Flint war das nicht aufgefallen, sonst hätte er den Kerl dazu vernommen. Hodge nahm sich vor, jeden von Wilts Schritten zu überprüfen, heimlich natürlich, denn es hatte schließlich keinen Sinn, den Mann kopfscheu zu machen. Hodge schrieb sich weitere Stichpunkte auf. »Vorhandensein von Substanzen zur Herstellung von Leichenbalsam im Schullabor? Überprüfen!« war einer. »Heroinquelle« ein anderer. Und während er sich auf erforderliche Einzelmaßnahmen konzentrierte, wanderte ein Teil seiner Gedanken auf anderen Pfaden davon, bewegte sich in einer so romantisch klingenden Gegend wie dem »Goldenen Dreieck«, jenem im Dschungel gelegenen Grenzgebiet im Norden Thailands, gegenüber von Birma und Laos; wechselte dann hinüber in die pakistanischen Laboratorien, aus denen Heroin der Güteklasse »Golden Crescent« nach Europa kam. In Hodges Vorstellung waren nächtens lauter kleine, dunkelhäutige Männer – Pakistanis, Türken, Iraner und Araber – auf Eseln, mit Containerlastern oder gelegentlich per Schiff mit Zielrichtung Großbritannien unterwegs. Im Schutz der Dunkelheit vollzog sich der obskure und unheilbringende Transport der tödlichen Opiate, finanziert von Männern, die in riesigen Villen lebten, vornehmen Clubs angehörten und protzige Jachten besaßen. Und dann war da die »Sizilianische Connection« mit fast täglichen Mafia-Morden in den Straßen von Palermo; und schließlich die Dealer in England, armselige Knilche wie Flints Sohn, der jetzt in Bedford einsaß. Möglicherweise war ja dieser mißratene Sohn die Erklärung für Flints verändertes Verhalten. Aber das romantische Bild ferner Länder und böser Männer blieb beherrschend, und Hodge war bei alledem die beherrschende Figur: der einsame Streiter im Kampf gegen das heimtückischste aller Verbrechen.
    Die Wirklichkeit freilich sah anders aus und stimmte mit Hodges geistiger Geographie lediglich darin überein, daß Heroin wirklich aus Asien und Sizilien kam und die grausame Pest der Drogenabhängigkeit nach Europa gebracht hatte, der nur ein äußerst entschlossenes und kluges Vorgehen der Polizei und internationale Kooperation Einhalt gebieten konnten. Nur mit dem klugen Vorgehen war das im Falle des Inspektors so eine Sache. Trotz seiner Position war er weder intelligent, noch verfügte er über mehr als eine lebhafte Phantasie. Statt Intelligenz herrschte bei ihm nur Entschlossenheit, die Entschlossenheit eines Mannes ohne Familie, der nur wenig Freunde hatte, dafür aber eine Aufgabe. Und so arbeitete Inspektor Hodge die halbe Nacht weiter an der Vorbereitung der Schritte, die er zu unternehmen gedachte. Es war vier Uhr früh, als er endlich das Polizeirevier verließ und um die Ecke in eine Wohnung ging, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Selbst dann noch lag er im Dunkeln da und freute sich diebisch über Flints bevorstehende Niederlage. Der Scheißkerl kriegt endlich seine wohlverdiente Strafe, dachte er vor dem Einschlafen. Inspektor Flint, derzeit auf der anderen Seite von Ipford in seinem kleinen Haus mit gepflegtem Garten, der durch einen hübsch symmetrischen Goldfischteich mit einem steinernen Cherub in der Mitte auffiel, hätte unter umgekehrtem Betrachtungswinkel dem durchaus zugestimmt. Doch im Augenblick beschäftigten ihn die Folgen von dunklem Bier und diesen verdammten Pißpillen weitaus mehr als Hodges Zukunft. In dieser Beziehung war er recht zuversichtlich. Als er wieder ins Bett stieg, überlegte er, ob es nicht klug wäre, etwas Urlaub zu nehmen. Er hatte noch vierzehn Tage gut, und außerdem konnte er mit Fug und Recht behaupten, sein Arzt habe ihm geraten, etwas langsamer zu treten. Ein Ausflug an die Costa Brava, oder vielleicht nach Malta? Das einzige Problem dabei war, daß Mrs. Flint in der Hitze leicht lüstern wurde. Zum Glück waren das inzwischen die einzigen Gelegenheiten. Vielleicht wäre Cornwall doch besser. Andererseits wäre es wirklich schade, sich entgehen zu lassen, wie Hodge auf die Schnauze fiel; und wenn Wilt diesen

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