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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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überzeugen.«
    »Guten Tag«, sagte Wilt und zog sich hinter seinen Schreibtisch zurück. Er mochte den Bezirksinspektor nicht sonderlich, doch war diese Antipathie nichts im Vergleich zu seinem Horror vor Männern in dunkelgrauen Anzügen, noch dazu mit Weste, die im Auftrag des Erziehungsministers handelten.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz.«
    Mr. Scudd rührte sich nicht von der Stelle. »Ich glaube nicht, daß mir damit gedient ist, wenn wir hier in Ihrem Zimmer sitzen und theoretische Vorgaben diskutieren«, sagte er. »Meine konkrete Aufgabe besteht darin, über meine ganz persönlichen Beobachtungen und persönlichen Eindrücke hinsichtlich dessen zu berichten, was sich gegenwärtig auf dem Boden der Klassenzimmer abspielt.«
    »Durchaus«, sagte Wilt, der inständig hoffte, es möge sich derzeit möglichst nichts auf den Böden seiner Klassenzimmer abspielen. Vor ein paar Jahren hatte es da einen ziemlich abscheulichen Zwischenfall gegeben; damals sah er sich dazu gezwungen, einer Situation Einhalt zu gebieten, die alle Merkmale einer Mehrfachvergewaltigung einer unzumutbar attraktiven Lehrerin durch Fleischer II aufwies, die eine Passage aus dem vom Fachbereichsleiter Englisch empfohlenen Werk Rasend vor Liebe in Hitze hatte geraten lassen.
    »Wenn Sie dann bitte vorausgehen wollen«, sagte Mr. Scudd und öffnete die Tür. Jetzt bekam sogar der Bezirksinspektor ein Gesicht wie ein begossener Pudel. Wilt trat auf den Gang hinaus.
    »Würde es Ihnen wohl etwas ausmachen, mir etwas über die ideologische Ausrichtung Ihrer Mitarbeiter zu erzählen?« fragte Mr. Scudd und unterbrach damit rüde Wilts verzweifeltes Ringen um die Entscheidung, in welche Klasse er den Mann sicherheitshalber führen sollte. »Es ist mir nicht entgangen, daß in Ihrem Zimmer mehrere Bücher über Marxismus-Leninismus stehen.«
    »Ja, das ist in der Tat der Fall«, entgegenete Wilt, der unbedingt Zeit gewinnen mußte. Wenn dieser Heini gekommen war, um hier eine politische Hexenjagd zu veranstalten, dann war die sanfte Tour wohl die beste Erwiderungstaktik. Der Bastard würde auf diese Weise ziemlich rasch auf die Nase fallen.
    »Und Sie betrachten das als geeignete Lektüre für Lehrlinge aus der Arbeiterklasse?«
    »Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen«, meinte Wilt. »Tatsächlich? Damit geben Sie also eine Linkstendenz in Ihrem Unterricht zu.«
    »Zugeben? Ich habe gar nichts zugegeben. Sie sagten, in meinem Zimmer stünden Bücher über Marxismus-Leninismus. Ich begreife nicht recht, was das mit meinem Unterricht zu tun hat.«
    »Aber Sie haben doch soeben eingeräumt, daß Sie sich schlimmere Lektüre für Ihre Schüler vorstellen könnten«, beharrte Mr. Scudd.
    »Ja«, sagte Wilt, »genau das habe ich gesagt.« Allmählich ging ihm der Typ wirklich auf den Keks. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, diese Aussage eingehender zu erläutern?«
    »Aber gern. Wie wäre es für den Anfang mit Nackter Lunch?«
    »Nackter Lunch?«
    »Oder Wo das Laster blüht in Brooklyn. Hübsches, gesundes Lesefutter für junge Hirne, finden Sie nicht?«
    »Du lieber Himmel«, murmelte der Bezirksinspektor, der aschfahl geworden war.
    Mr. Scudd sah auch nicht übermäßig gut aus, obwohl er eher dazu neigte, rot anzulaufen, denn zu erbleichen. »Wollen Sie mir allen Ernstes erzählen, daß Sie diese beiden empörenden Bücher für geeignet ... daß Sie die Lektüre von Büchern dieser Art empfehlen?«
    Wilt blieb vor einem Zimmer stehen, in dem Mr. Ridgeway einen vergeblichen Kampf mit einer Klasse ausfocht, die einfach nicht hören wollte, was er von Bismarck hielt. »Wer hat denn auch nur ein Wort davon gesagt, daß wir Schülern empfehlen, bestimmte Bücher zu lesen?« fragte er über den Lärm hinweg. Mr. Scudds Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich glaube, Sie verstehen die Zielrichtung meiner Fragen nicht ganz«, sagte er. »Ich bin hier ...« Er brach ab, denn das aus Ridgeways Klasse dringende Getöse machte jede Unterhaltung unmöglich. »Das habe ich bemerkt«, schrie Wilt.
    Der völlig verunsicherte Bezirksinspektor versuchte zu intervenieren. »Ich glaube wirklich, Mr. Wilt«, setzte er an, aber Mr. Scudd starrte mit irrem Gesichtsausdruck durch das Glasfenster in der Tür in die Klasse. Ganz hinten hatte so ein Kerl gerade etwas, das verdächtig nach einem Joint aussah, an ein Mädchen mit knallgelber Mohikanerbürste weitergereichtdem ein BH wahrhaftig nicht geschadet hätte.
    »Würden Sie das denn als typische Klasse bezeichnen?«

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