Henry haut ab: Roman (German Edition)
Zwischenzeit nicht noch mehr Schaden an.«
Der Vikar sah verwirrt aus.
»Warum holen Sie die Kugel nicht gleich heraus und nehmen sie mit, wenn Sie dort hinfahren? Das sollte doch nicht allzu schwierig sein«, fragte er. »Ich habe eine exzellente elektrische Säge und jede Menge Meißel. Wir könnten sie in null Komma nichts da heraushacken.« Doch der Superintendent schüttelte den Kopf.
»Nein, wir müssen alles so lassen, wie es ist. Das sind Beweismittel, verstehen Sie, die dürfen wir nicht anrühren.«
»Aber wenn Sie sie nicht anrühren dürfen, wie um Himmels willen wollen Sie dann die Waffe identifizieren?«
»Beruhigen Sie sich, Sir. Beruhigen Sie sich. Nach allem, was Sie mir über diese Ballerei über die Mauer und so erzählt haben, schätze ich, dass wir sowieso längst genug haben, um Ihre Freunde da oben festzunageln.«
Der Vikar schwebte vor Empörung beinahe über seinem Stuhl. »Das sind nicht meine Freunde, das versichere ich Ihnen. Dieser grauenvolle Mann hasst mich seit Jahren.«
»Das war nur so eine Redensart, Vikar. Allerdings dachte ich, Ihresgleichen wäre aller Welt Freund – sollten Sie nicht ihre Nächsten lieben?«, fragte der Superintendent.
»Ja, ja. Und natürlich tue ich das auch – auf einer gewissen Ebene«, protestierte der Vikar, der immer wütender wurde. »Aber wissen Sie, Officer, er hat sich immer geweigert, mich auf seinem privaten Friedhof christliche Beerdigungen vornehmen zu lassen.«
»Hat er da oben tatsächlich jemanden beerdigt?« Der Superintendent schien ganz besonders daran interessiert zu sein, mehr darüber zu hören.
»Soweit ich weiß nicht. Aber verstehen Sie denn nicht? Das muss doch der Grund sein, warum er mir einen Sarg mit einem Holzklotz drin geschickt hat – um mich zum Narren zu halten, weil ich einen Brief an die Lokalzeitung geschrieben habe, in dem stand, dass private Friedhöfe ungehörig sind.«
Der Sergeant und der Superintendent sahen sich an.
»Und war das alles, Sir?«
»Hm, nein. Seit der Artikel erschienen ist, hat er mich geschnitten – nicht, dass mir das etwas ausgemacht hätte. Aber dann hat er angefangen, wirklich skandalöse Gerüchte über mich zu verbreiten …«
»Wenn die so schlimm sind, wie Sie sagen, warum haben Sie ihn dann nicht verklagt? Das ist doch das Naheliegendste in so einem Fall.«
»Weil die Dorfbewohner Sir George so sehr verabscheuen, dass ihm sowieso niemand geglaubt hat. Und abgesehen davon hätte ich nicht gewollt, dass eine solche Beschuldigung überall in den Zeitungen breitgetreten wird.«
»Was für eine Beschuldigung denn? Vielleicht können wir deswegen Anklage gegen Sir George erheben.«
»Ach, das Übliche. Dass ich ein Perverser sei, der es mit kleinen Jungen treibt«, erklärte der Vikar.
Der Superintendent dachte eine Weile darüber nach.
»Und, stimmt das, Sir?«
»Was erlauben Sie sich! Natürlich nicht. Fragen Sie meine Frau, wenn Sie mir nicht glauben. Ich mag kleine Jungen nicht einmal besonders … diese grässlichen, boshaften kleinen Dinger. Oder große, wo wir gerade dabei sind.«
Der Superintendent erwog, den Vikar erneut an die Einschließlichkeit christlicher Liebe zu erinnern, besann sich jedoch eines Besseren. Ein kurzes Schweigen entstand, dann verkündete er: »Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich Sir George Gadsley persönlich kennenlerne. Können Sie inzwischen diesen Ast nach Ligneham bringen, Sergeant, und ihn in der Asservatenkammer einschließen? Nun dann, Hochwürden, gibt es noch etwas, das wir wissen sollten?«
»Nun, ich sollte Sie wirklich warnen, dass Sir George ein schwieriger Zeitgenosse sein kann. Er trinkt sehr viel, seine Frau ebenso – und natürlich ist sie sehr hinter den Männern her. Ganz ehrlich, wenn es nicht herzlos wäre, würde ich sie ganz anders betiteln.«
»Was würden Sie sie denn nennen?«
»Dafür gibt es wirklich nur ein Wort«, erklärte der Vikar genüsslich. »Nymphomanin.«
»Na, na, Vikar, nicht dass wir als Nächsten Sie belangen müssen, wegen übler Nachrede.«
Der Geistliche lief rot an, konnte aber nicht widerstehen: »Ich denke nicht, Superintendent, da alles, was ich gesagt habe, absolut der Wahrheit entspricht. Sie können diesen Jungen da draußen fragen. Er arbeitet in der Werkstatt.«
Nachdem er ihm noch einen schönen Tag gewünscht und bei sich gedacht hatte, dass dieser Mann Gottes ganz und gar nicht das war, was er sein sollte, wandte der Superintendent sich dem Mechanikerlehrling zu und befragte
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