Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
der Treppe nach links gedreht doch der Schulungsraum, in dem Donna Zuflucht gefunden hatte, lag rechts. Behutsam hob sie eine Taschenlampe auf und schlich auf Zehenspitzen zur nächstgelegenen Türe.
    Sie leuchtete mit dem Lichtstrahl durch das kleine Fenster und starrte in die Dunkelheit, denn sie war sich sicher, dass sie eine Bewegung am anderen Ende des Flurs wahrgenommen hatte. Paul wurde sich plötzlich des Lichtstrahls bewusst, der auf ihn gerichtet wurde, hielt in seinen Bemühungen inne und drehte sich langsam um. Donna richtete ihre Taschenlampe instinktiv nach unten und war erschrocken, dass sie gesehen worden war. Paul rannte den Flur entlang.
    »Lassen Sie mich rein«, brüllte er und trommelte heftig mit seinen Fäusten gegen die Tür. »Um Himmels willen, lassen Sie mich rein ...«
    Er ließ sich gegen die Tür sinken und presste sein Gesicht gegen die Scheibe, frustriert, verängstigt und schwer atmend. Ein paar Sekunden lang tat Donna überhaupt nichts. Dann kam ihr langsam die Realität der Situation zu Bewusstsein. Die sich bewegenden Leichen konnten nicht sprechen. Sie konnten keine Entscheidungen treffen oder ihre Bewegungen steuern. Die Person auf der anderen Seite der Tür musste also ein Überlebender sein. Sie zog ihren Ausweis über den Sensor an der Wand und die Tür entriegelte sich und schwang nach innen auf. Paul stürzte in das Büro und brach vor ihr zusammen.
    »Sind Sie ...?«, begann sie zu sprechen.
    Er blickte zu ihr hoch, während ihm Tränen über das Gesicht liefen, stemmte sich in die Höhe und streckte die Hände nach ihr aus. In einer unbeholfenen, unbequemen, aber im Grunde genommen angenehmen Umarmung aneinandergeklammert, standen die zwei Überlebenden schweigend da und genossen die unerwartete Nähe eines anderen Menschen.

5
    Als Clare und Jack das, was einmal die größte Einkaufsmeile der Stadt gewesen war, erreichten, war es beinahe vollkommen dunkel. Keiner der beiden wollte die Nacht im Freien verbringen. Die Welt war in der letzten Woche auf den Kopf gestellt und auseinandergerissen worden, nichts konnte als selbstverständlich angenommen worden. Es war schon im Tageslicht schwer genug, im Auge zu behalten, was rings um sie herum vorging. In der Dunkelheit gestaltete sich das schlichtweg unmöglich.
    Jack schob Clare sachte in die Richtung, in der Bartrams Kaufhaus lag. In seinen besten Zeiten war es ein großes und imposantes Gebäude gewesen und hatte in der Stadt lange einen Schwerpunkt für Kunden dargestellt. Nun, da es in rotschwarze Dunkelheit getaucht und von verwinkelten Schatten durchzogen war, wirkte es durch die hohen, grauen Mauern mit den vielen kleinen, quadratischen Fenstern auf aufreibende Weise wie ein Gefängnis.
    »Heute Nacht können wir hier haltmachen«, flüsterte Jack. »Da drin gibt es Lebensmittel und andere Dinge. Es wird uns dort sicherlich gut gehen.«
    Clare erwiderte nichts. Abgehetzt und niedergeschlagen, wie sie war, konnte sie nur noch einen Fuß vor den anderen setzen und sich weiter zwingen. Seit die beiden zusammen unterwegs waren, hatte sie nicht viel gesprochen. Die paar tränenreichen Sätze zu Anfang ihrer Begegnung waren außer ein paar gebrummten Wortfetzen bisher alles gewesen. Jack drängte sie zu keinem Gespräch. Er fühlte und verstand ihren Schmerz. Selbstverständlich quälte es auch ihn, doch er hatte einen Verlust wie diesen bereits erlitten. Clare noch nicht, wie er annahm. Er versuchte ihr zu helfen, doch seine gut gemeinten Worte schienen sehr wenig positiven Einfluss zu bewirken.
    »Ich weiß, es ist schwer«, hatte er vor einiger Zeit gesagt, als sie der Hauptstraße in die Reste der Einkaufsmeile gefolgt waren. »Meine Frau ist voriges Jahr gestorben. Ich weiß, wie du dich fühlst. Du denkst, dass du so sehr leidest, dass du niemals darüber hinwegkommen wirst. Aber das wirst du. Glaub mir, es wird einfacher.«
    »Wie soll es besser werden?«, hatte sie geschrien. »Wie soll es besser werden, wenn ich alles verloren habe?«
    Davon abgesehen hatte Clare nicht geantwortet. Nicht einmal Jack wusste, ob er auch tatsächlich glaubte, was er da sagte. Immerhin hatte er eine Ursache und eine Erklärung für den Verlust, den er erlitten hatte, als seine Ehefrau dahingeschieden war, obgleich es ihm unmöglich gewesen war, zu akzeptieren, weshalb Denise sterben musste. Clares Verlust war völlig unvorhergesehen und ohne Begründung oder einleuchtenden Grund gewesen. Jack hatte ihr sehr genau in das abweisende,

Weitere Kostenlose Bücher