Herbst - Stadt
unbewegte Gesicht geschaut, als sie weitergegangen waren. Wie fassungslos und verängstigt sie sich im Inneren fühlen musste. Er selbst hatte nie Kinder gehabt, sich aber oft welche gewünscht. Sein Bruder hatte zwei Söhne. Stuart war acht und Danny war vor zwei Wochen fünf Jahre alt geworden. Es tat nun weh, an sie zu denken, denn in seinem Herzen wusste er, dass sie von ihm gegangen waren. Gedanken an Familien und Kinder füllten seinen Verstand mit einer Vielzahl von Albtraumszenarios. Soweit er sehen konnte, schien es keinen Grund und kein Muster dafür zu geben, wer diese Katastrophe überlebt hatte, wer gestorben war oder zunächst gestorben zu sein schien und sich dann wieder zurückgeschleppt hatte. Was war, wenn kleine Kinder überlebt hatten, als ihre Eltern gestorben waren? Wie würden sie zurechtkommen? Wie würden sie sich ernähren und auf sich aufpassen? Für eine Sekunde lang stellte er sich vor, Danny, sein jüngster Neffe, wäre alleine zu Hause. Danny hatte sich in der Vorschule gut geschlagen. Er hatte eine Handvoll einfacher Wörter lesen gelernt und konnte seinen Namen schreiben. Er konnte sich selbst anziehen, er konnte bis zwanzig zählen und, wenn er sich sehr bemühte, konnte er seinen Schnürsenkel so in etwa zu einer ordentlichen doppelten Masche binden. Aber Danny konnte nicht kochen. Falls er krank wurde, konnte er sich keine Medizin besorgen. Er konnte kein Feuer anzünden, um sich selbst warm zu halten. Er konnte sich nicht gegen einen Überfall wehren. Er konnte ganz einfach nicht überleben ...
Ihre schlussendliche Ankunft im Kaufhaus im toten Herz der Stadt bescherte Jack eine begrüßenswerte Abwechslung von seinen zunehmend finsteren, morbiden und hoffnungslosen Überlegungen.
Das große Geschäft hatte gerade geöffnet, als die Krankheit oder der Virus oder was auch immer es gewesen war, am Dienstag zugeschlagen hatte. Eine Reihe großer Glastüren entlang der Stirnseite des Gebäudes war geöffnet, und es schien, als ob die überwiegende Mehrheit derjenigen toten Kunden, die im Kaufhaus wiederauferstanden waren, es glücklicherweise geschafft hatten, zurück auf die Straße zu stolpern.
Jack und Clare arbeiteten sich müde und emotional ausgebrannt Stockwerk für Stockwerk durch das Kaufhaus empor. Aus dem Erdgeschoss nahmen sie sich Kleinigkeiten zu essen und zusätzliche Bekleidung mit. Im ersten Stock gab es eine kleine Geräteabteilung, aus der sie sich Taschenlampen und Lampen holten. Indem sie die nun stillstehenden Rolltreppen, die durch das Zentrum des Gebäudes liefen, als Treppenaufgang benutzten, stiegen sie zu einer Möbelabteilung im zweiten Stock empor. Je höher sie kamen, desto weniger Leichen schienen sie zu sehen. Die unbeholfenen Gestalten kamen nicht gut damit zurecht, die Treppen nach oben zu steigen, doch sie waren bestimmt anfällig dafür, zu stolpern und nach unten zu fallen. Mit jedem Stück, das Jack und Clare höher über das Erdgeschoss gelangten, fühlten sie sich sicherer. Der einsame umherwandelnde Leichnam, den sie im zweiten Stock antrafen, eingeschlossen zwischen einer Kommode und einem umgestürzten Kleiderschrank in einer Abteilung für Schlafzimmermöbel, leistete keinen Widerstand, als ihn Jack widerstrebend in eine nahegelegene Toilette stieß und den Ausgang mit einer Reihe von Stockbetten blockierte.
Sie verbrachten eine lange Stunde damit, zusammen auf einem teuren Ledersofa zu sitzen, in dem Essen, das sie gesammelt hatten, herumzustochern und ein paar bruchstückhafte Gespräche zu führen. Obwohl es noch ziemlich früh war (ungefähr halb neun), wirkte es durch die Dunkelheit, die Stille und die Anstrengungen des Tages bereits viel später. Sie waren beide erschöpft. In dem, was von ihrer Welt übrig geblieben war, schien alles hundertmal mehr Aufwand zu kosten als zuvor. Und hinzu kam, dass sie nichts tun konnten, wodurch sie nicht wieder an all das erinnert worden wären, was sie zuvor besessen und so plötzlich verloren hatten. Jack blätterte im Licht der Taschenlampe die Programmzeitschrift, die er in der Tasche eines toten Kunden gefunden hatte, durch. Nun waren die meisten, vermutlich alle Prominenten, die auf den glänzenden Seiten abgebildet waren, tot. Es war sowieso nicht von Bedeutung. Wofür waren Schauspieler, Moderatoren und Prominente jetzt gut?
»Wir werden morgen mehr Glück haben, da bin ich mir ganz sicher«, flüsterte Jack hoffnungsvoll (wenngleich auch nicht in gänzlich überzeugender Weise).
»Was
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