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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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hinteren Teil eines anderen Zuges gefahren waren, der noch auf dem Bahnsteig stand. Gott weiß, wie wir es geschafft haben, auf den Schienen zu bleiben.«
    »Wurden Sie verletzt?«
    »Das hab ich davon«, entgegnete Paul, zog sein Hemd hoch und drehte sich um, damit sie seinen Rücken sehen konnte. Trotz der schwachen Beleuchtung konnte Donna deutlich einen riesigen braunvioletten Bluterguss sehen, der sich quer über die gesamte Breite seines Rückens zog.
    »Tut’s weh?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Nicht wirklich«, gab er zurück. »Die Wahrheit ist, dass ich kaum daran gedacht habe, seit all das passiert ist.«
    »Also, was taten Sie als Nächstes?«
    »Ich ging zur Arbeit. Himmel, ich kann es selbst kaum glauben. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Ich meine, ich konnte nicht nach Hause und ich hatte keine Ahnung, wo ich sonst hingehen sollte. Ich stellte mir vor, dass ich in der Arbeit zumindest eine Zuflucht und Schutz finden würde. Da kannte ich mich aus.«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Aus dem Grund bin ich immer noch hier.«
    »Sie haben hier gearbeitet?«
    Sie nickte.
    »Das ist typisch, oder?«, grinste Paul. »Den Großteil seines Lebens verbringt man damit, aus der Arbeit rauszukommen und wenn alles den Bach runtergeht, sitzt man letzten Endes dort fest.«
    »Also war sonst noch jemand dort, als Sie dorthin kamen?«
    »Da waren eine Menge Leute«, antwortete er, »aber keiner davon war am Leben. Oh mein Gott, alle Leute, mit denen ich am Vortag noch zusammengearbeitet habe, waren tot. All diese Leute, die ich schon seit Ewigkeiten kannte, einfach fort ... Man lernt die Leute kennen, mit denen man zusammenarbeitet, nicht wahr? Ich hatte dort meine Kumpels und wir waren am Wochenende unterwegs und jetzt sind sie ...«
    Er hörte auf zu sprechen und starrte an die Decke, um Augenkontakt zu vermeiden, bevor er die Kontrolle über sich verlieren und wieder zu weinen beginnen würde. Donna saß gegenüber an einem breiten grauen Tisch und beobachtete ihn. Sie sprach und fühlte nichts. Irgendwie war es ihr gelungen, sich vom Schmerz zu distanzieren. Vielleicht lag es am Schock über alles, das geschehen war? Aus welchem Grund auch immer fühlte sie sich im Inneren ebenso tot wie die Tausenden Leichen, die auf den Straßen lagen und verrotteten. Es war, als wäre jeder Nerv in ihrem Körper verätzt worden. Sie schien nichts mehr zu fühlen. Sie wusste, dass das eigentlich schlecht war, doch in diesem Augenblick half es ihr.
    »Essen Sie was«, sagte sie, da sie nicht imstande war, sich etwas anderes auszudenken, das sie sagen könnte. Sie schob ein Päckchen mit Keksen über den Tisch. Paul schüttelte den Kopf. »Sie sollten etwas essen.«
    »Nein, danke.«
    »Trinken?«
    Sie bot ihm eine halb leere Wasserflasche an. Er nickte und wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab, bevor er die Flasche von ihr nahm und durstig trank.
    »Also, was tun wir jetzt?«, fragte er, als er den Deckel wieder auf die Flasche schraubte und sie zurückgab. Donna zuckte mit den Schultern.
    »Weiss nicht«, gab sie stumpf zurück.
    »Ich meine, wir können nicht einfach hier sitzen bleiben, oder?«
    »Was gibt’s denn sonst zu tun?«
    »Himmel, wir sollten irgendetwas tun. Wir sollten hier rausgehen und andere Leute finden. Nachsehen, ob wir sogar jemanden finden können, der weiß, was hier vor sich geht ...«
    »Verdammter Mist, ich habe außer Ihnen niemanden gesehen, der am Leben ist. Ich habe niemanden gefunden, der noch atmet, also welche Chance hätten wir, jemanden zu finden, der weiß, was geschehen ist?«
    »Ich weiß, aber ich ...«
    »Hören Sie, ich möchte nicht nach draußen gehen, ehe ich nicht muss«, setzte sie fort und unterbrach ihn. »Bis ich nicht weiß, was das alles hier verursacht hat, möchte ich mich von diesen blutigen Dingern da draußen so weit wie möglich entfernt halten.«
    Ihre Stimme war kalt, flach und müde, ihre Aussage schroff und endgültig. Paul verzichtete darauf, etwas einzuwenden. Er stand auf und machte sich selbst unter einem Tisch ein behelfsmäßiges Bett aus Kleidern und Decken zurecht.
    Dort lag er schweigend und starrte stundenlang in die Dunkelheit über sich.
    Donna saß in ihrem Stuhl und tat dasselbe.

7
    Weniger als eine halbe Meile vom Bürokomplex entfernt standen die ersten paar Gebäude eines modernen Universitätsgeländes. Die sechsspurige Ringstraße, die an der Fassade des riesigen und erst kürzlich gebauten Unterkunftstrakts vorbeiführte, sonderte

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