Herbst - Stadt
Mitte eines acht Meilen langen Verkehrsstaus auf der größten Autobahn, die in die Stadt führte, befunden. Sie war durch mehr als vier Meilen unaufhörlichen Grauens und Verwüstung gewandert, um das Krankenhaus zu erreichen.
Es ging ihr gut und Croft war zufrieden, als er sie tief schlafend zurückließ und die Treppe hinabstieg. Er betrat einen großen, rechteckigen Gemeinschaftsraum, in dem sich ein paar Überlebende versammelt hatten. Darin gab es weder Geräusch noch Unterhaltung und diese Stille war für ihn schwerer zu ertragen als Einsamkeit. Er ging weiter, durchquerte den Raum und verließ ihn durch einen Ausgang am gegenüberliegenden Ende.
Die Tatsache, dass sich jeder auf schmerzhafte Weise zurückzog, machte es schwerer für ihn, mit der Situation umzugehen, doch auf der anderen Seite, worüber hätte man reden sollen? Hatte irgendeiner der Überlebenden irgendetwas mit den anderen gemeinsam? Selbst wenn das der Fall sein sollte, so war anzunehmen, dass alle Interessen, die sie einst geteilt haben mochten, nicht mehr existierten. Welchen Sinn machte es jetzt noch, mit jemandem über seine Vorlieben bei Essen, Kleidung, Filmen, Musik, Büchern oder anderem zu sprechen? Und jeder Überlebende, der sprach, fand rasch zu seinem Leidwesen heraus, dass es egal war, mit wem man versuchte, ein Gespräch zu führen oder worüber man reden wollte, denn jede Konversation begann und endete unabwendbar mit haltlosen Spekulationen über das, was dem Rest der toten Welt zugestoßen sein mochte.
Croft brauchte Nikotin. Er durchquerte einen weiteren Korridor der Länge nach, bog nach rechts ab und setzte sich auf halbem Weg auf eine Stufe eines kurzen Treppenaufganges, der zu einer verglasten Eingangstüre führte. Dieser kleine, abgesonderte Bereich war zu einer Art Raucherecke geworden und zwei andere Überlebende – Sunita, eine Studentin, die in dem Gebäude, das ihnen Zuflucht bot, lebte und Yvonne, eine Rechtsanwaltssekretärin von einer Anwaltsfirma auf der anderen Seite der Ringstraße – standen bereits dort und rauchten ihre Zigaretten, während sie nach draußen in die Dunkelheit starrten.
Croft hatte die Sucht vor fünf Monaten erfolgreich überwunden, gestern jedoch wieder damit angefangen, da es keine Rolle mehr zu spielen schien. Er zündete seine Zigarette an und machte die zwei Frauen auf sich aufmerksam, die sich umdrehten, um nachzusehen, wer sich zu ihnen gesellt hatte.
»Geht es Ihnen gut, Dr. Croft?«, fragte Yvonne.
Er nickte und blies eine Rauchwolke unmittelbar in die bewegungslose Luft vor sein Gesicht.
»Mir geht’s gut«, antwortete er mit ruhiger und müder Stimme. »Und Ihnen beiden?«
Sunita nickte automatisch, äußerte ansonsten aber nichts.
»Mein Jim«, sagte Yvonne weich, »er liebte die Dunkelheit. Manchmal, wenn er nicht schlafen konnte, stand er auf und setzte sich zum Erkerfenster an der Rückseite des Hauses, um die Sonne aufgehen zu sehen. Er liebte es, wenn die Vögel zu singen begannen. Wenn er romantische Anwandlungen hatte, dann weckte er mich auf und führte mich zu sich die Treppe hinunter. Geschah allerdings nicht so oft.«
Yvonne lächelte für einen Moment und blickte dann zu Boden, als würde die Erinnerung an den Vogelgesang wieder von der alles besitzenden Stille ereilt und verschlungen werden, während sie mit dem Gefühl der Leere zurückblieb, verletzbar und verloren. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie war erst Anfang fünfzig, doch durch die Belastung der paar letzten Tage wirkte sie bei Weitem älter. Ihre üblicherweise makellose Frisur war zerzaust und unordentlich, der ehemals elegante Anzug nun zerknittert und verwahrlost. Sunita fühlte ihren Kummer, legte ihr eine Hand auf die Schulter und zog sie an sich. Sie wusste, dass Yvonnes Ehemann in einem Büro auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt gearbeitet hatte, und dass sie am ersten Morgen dorthin gegangen war und ihn tot an seinem Schreibtisch mit dem Gesicht nach unten auf einem Stapel Papier vorgefunden hatte.
»Ich werde mit der Dunkelheit fertig, solange ich nicht alleine bin«, sagte Sunita. »Wenn ich alleine bin, fängt mein Verstand an, mir Streiche zu spielen. Ich fange an, mir einzureden, da wäre noch jemand anders.«
»Sie können in diesen Tagen froh sein, jemand anders zu finden«, seufzte der Arzt. »Wie auch immer, machen Sie sich nichts aus der Dunkelheit, ich habe genug Probleme damit, mit dem zurechtzukommen, das im Licht geschieht«, gestand er
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