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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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haben wahrscheinlich alle unsere Eltern verloren«, murmelte Sunita.
    »Ich weiß, aber ...«
    Yvonne wurde unvermittelt durch das Geräusch eines Körpers, der gegen die gläserne Doppeltür direkt vor ihr prallte, unterbrochen. Sie zuckte nervös zurück und strauchelte. Croft sprang auf die Beine und stützte sie. In seltsamer Weise neugierig, ging er langsam und behutsam ein paar Schritte auf die Leiche zu. Fest gegen das kalte Glas gepresst, bewegte sich das eingefallene Gesicht des Toten langsam von rechts nach links, während er hinter sich eine lange fettige Schliere aus blutigem, keimgefülltem Sekret hinterließ. Als er das Ende der Scheibe erreicht hatte, drehte sich der Leichnam unbeholfen wieder um und begann, sich in der entgegengesetzten Richtung zurückzubewegen.
    »Was, zum Teufel, geht hier vor?«, fragte Croft unterdrückt.
    »Was ist denn los?«, wollte Sunita wissen. Sie starrte die Kreatur mit vor Abscheu verzogenem Gesicht an. Die hier unterschied sich nicht von den vielen anderen verwesenden Leichen, die sie bereits gesehen hatte.
    »Das gefällt mir nicht«, gab der Arzt zu. Er bewegte sich leise näher heran und betrachtete die abgehackten Bewegungen der Gestalt eingehend.
    »Die hier ist nicht wie die anderen.«
    »Wieso?«, flüsterte Sunita.
    »Weil sie nicht weggeht.«
    »Was?«
    »Sehen Sie zu ihr hin. Mittlerweile hätte sie sich umdrehen und wieder zurück in die Nacht gehen müssen. Sie steht aus einem bestimmten Grund hier. Es wirkt beinahe so, als wüsste sie, dass wir hier drin sind.«
    »Zum Teufel ...«
    »Können Sie mir sonst eine andere Erklärung dafür geben? Ich sage Ihnen, diese Leiche beobachtet uns.«
    Als ob er seinen Standpunkt bekräftigen wollte, rückte er immer weiter in Richtung der Scheibe vor, bis sein Gesicht nur noch eine Handbreit von dem des Kadavers entfernt war. Dann bewegte er sich zur rechten Seite und alsbald tat es ihm die Leiche langsam und mit enervierender Trägheit gleich. Er schob sich wieder zurück und mit ein paar Sekunden Verzögerung schleppte sich der Leichnam herum und folgte ihm.
    Yvonne war verängstigt. Sie fand es nahezu unmöglich, sich selbst dazu zu zwingen, diese vermoderte Hülle, die noch vor weniger als einer Woche ein vollkommen gesunder und quicklebendiger Mensch gewesen war, anzusehen. Sie war die Treppe zur Hälfte nach oben gekrochen und starrte wie ein verängstigtes Kind zwischen dem Geländer hindurch.
    »Und was bedeutet das jetzt?«, wollte sie aus sicherem Abstand wissen.
    »Eins von zwei Dingen«, gab Croft zurück, ohne seine Augen von der Leiche zu nehmen. »Entweder ist der Körper hier weniger beeinträchtigt als die anderen ...«
    »Oder?«, drängte Sunita ängstlich.
    »Oder sie verändern sich.«

8
    Paul stand auf, als die Sonne durch das Fenster im zehnten Stock des Bürogebäudes drang. Sein Bewegungsdrang war nicht gerade freiwillig, denn das provisorische Bett war alles andere als bequem und der Druck auf seine Blase nicht mehr auszuhalten gewesen. Mithilfe einer Ausweiskarte, die Donna bereits am Anfang der Woche einer Leiche abgenommen hatte, schleppte er sich nach draußen auf den Flur und erklomm die einzelne Treppe zur nächstgelegenen Toilette. Im Halbdunkel stolperte er über einen reglosen Körper und prallte geräuschvoll durch die Tür in den kleinen Raum, der sich genauso kalt, dunkel und widerlich präsentierte, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Eine weitere Leiche war in einer der Kabinen auf den Boden gestürzt und ein modriger, abgestandener Geruch hing schwer in der Luft.
    Da er immer noch schlaftrunken war und sich beeilte, so rasch wie möglich von den Leichen weg und zurück ins Büro zu kommen, stolperte Paul auf seinem Weg aus der Toilette wieder, fiel ungeschickt über die letzten drei Stufen und trat einen Reinigungsbehälter gegen einen Heizkörper. Das Geräusch von Metall, das auf Metall traf, hallte die gesamte Länge des Treppenhauses hinauf und hinunter und ein paar nachhaltige Momente lang schien das gesamte Gebäude mit Lärm gefüllt zu sein.
    Als er zum zehnten Stock zurückkehrte, war Donna wach. Sogar mehr als wach, sie war aufgestanden und in Alarmbereitschaft, während sie rasch ihre Kleider wechselte und ihr langes Haar zusammenband.
    »Was ist los?«, fragte er, unmittelbar beunruhigt. Sie hatte keinen Anlass dazu, so schnell aufzustehen. Sie hatte gar keinen wirklichen Anlass dazu, überhaupt aufzustehen.
    »Ich habe etwas gehört«, gab sie atemlos zurück, als

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