Herbst - Stadt
die riesigen Universitätsanlagen vom Rest der Stadt ab. Am anderen Ende des Komplexes lag die medizinische Fakultät und bildete einen Teil eines der größten Krankenhäuser der Stadt. Die Klinik hatte durch ihre Fachabteilungen für Zahnmedizin, Kinderheilkunde, Hautkrankheiten und Brandverletzungen wesentlich zur Aufrechterhaltung der Gesundheit der Stadtbevölkerung beigetragen. In dieser Nacht versah nur ein einziger Arzt seinen Dienst. In dieser Nacht war nur noch ein einziger Arzt am Leben.
Im modern eingerichteten Wohnheim befanden sich Einzelzimmer für etliche Hundert Studenten. In den Tagen, die seit der Katastrophe vergangen waren, hatten sich hier ungefähr fünfzig Überlebende zusammengefunden. Einige von ihnen waren in der Nähe des Krankenhauses oder der Universität gewesen, als es geschah, andere hatten durch Zufall ihren Weg dorthin entdeckt; durch ein paar schwache Lichter und gelegentliche Anzeichen von Bewegung, die in der ansonsten unbewohnten Welt die Anwesenheit der Überlebenden erkennbar machten. Dr. Phil Croft, der letzte verbliebene Mediziner, hatte, als es am Dienstagmorgen begonnen hatte, gerade seine morgendlichen Kontrollgänge aufgenommen. Er hatte hilflos beobachtet, wie rund um ihn herum eine gesamte Station voller Menschen gestorben war. Er war gerade dabei gewesen, einen kleinen Jungen namens Ashley nach einer zwei Wochen zurückliegenden Blinddarmoperation mit einer einwandfreien Gesundheitsbescheinigung zu entlassen. Sekunden, nachdem er den Jungen untersucht hatte, war das hilflose Kind tot zu den Füßen des Doktors gestürzt. Nicht nur die Kinder waren betroffen gewesen. Die Krankenschwestern, Eltern, Reinigungskräfte, Helfer ebenso wie seine Arztkollegen und die Fachärzte – alle anderen auf der Station waren vom Tod ereilt worden und innerhalb von Minuten gestorben.
Selbst jetzt, als die Bevölkerung von Millionen dem Anschein nach auf wenige Hunderte reduziert worden war, befand sich Croft immer noch auf seinem Posten. Es kam ihm ganz selbstverständlich vor und fühlte sich wie eine unwillkürliche, integrierte Verhaltensweise an. Einer der Überlebenden brauchte ärztliche Hilfe und er betrachtete es als seine Pflicht, diese zu leisten.
Er schritt langsam durch das stille Gebäude in Richtung des Raumes, in dem die Frau, die seine Hilfe benötigte, lag. Der Korridor, den er entlangging, war düster, voll Schatten und auf beiden Seiten mit Türen gepflastert, die zu den Einzelzimmern der Studenten führten. Während er seine Taschenlampe benützte, um den Weg zu finden, blickte er flüchtig in ein paar der Zimmer, an denen er vorbeiging. Das unerwartete Licht verursachte bei den Überlebenden, die in der Dunkelheit kauerten, leichte Panik. Es mochten sich mehr als dreißig oder vierzig nach Schutz suchende Personen im Gebäude befinden, doch viele von ihnen hielten sich einzeln abseits. Abgesehen von einer Handvoll Leute, die begannen, sich zu einer Gruppe zusammenzufinden, hatte sich der Großteil der Überlebenden dazu entschieden, in angsterfüllter Isolation zu verharren und war zu verängstigt, um sich zu bewegen oder zu sprechen.
Der Arzt fand das Zimmer, in dem die Frau lag. Sie war sehr attraktiv – hochgewachsen, durchtrainiert, kräftig und mit ihrem ersten Kind im neunten Monat schwanger. Croft fühlte sich eigentümlich zu Sonya Farley hingezogen. Seine Freundin Natasha Rogers, die in einer der Stationen für Brandverletzungen als Krankenschwester gearbeitet hatte, war tot. In diesen grauenhaften ersten Minuten am Dienstagmorgen war er von seinem Gebäude zu dem von Tasha hinübergerannt und hatte sie kalt und leblos, tot wie alle anderen, am Boden vorgefunden. Sie war in der achten Woche schwanger gewesen. Beide hatten sie keine Gelegenheit gehabt, irgendjemandem von dem Baby zu erzählen, nicht einmal ihren Eltern. Sie waren selbst gerade erst über den Schock der unerwarteten Schwangerschaft hinweggekommen.
Croft erkannte nun, dass es ihm half, sein Hauptaugenmerk auf Sonya zu richten und seine Bemühungen auf sie zu konzentrieren, um seinen konstant nagenden Schmerz ein wenig zu lindern. Zu wissen, dass er immer noch in der Lage war, Sonya zu helfen, ihr Baby auf die Welt, oder das, was von der verheerten Welt übrig geblieben war, zu bringen, machte es ihm auf eine gewisse Art leichter, mit seinem Verlust zurechtzukommen. Und Gott allein wusste, dass Sonya Unterstützung benötigte.
Als die Krankheit ausgebrochen war, hatte sie sich in der
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