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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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verbrachte den ganzen Tag draußen, um mit mir den Motor einzustellen. Ich werde den Tag nie vergessen ...«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Wie viele Unfallfahrzeuge haben Sie gesehen? Wie viele verlassene Wagen haben Sie hier in der Gegend gesehen?«
    »Hunderte, vielleicht Tausende, warum?«
    »Weil jedes einzelne Fahrzeug jemandem gehört hat.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe, was Sie meinen.«
    »Was ist mit Ihrem Zuhause? Hatten Sie ein eigenes Haus?«
    »Ja.«
    »Erinnern Sie sich noch an das Gefühl, als Sie den Schlüssel umdrehten und hineingingen? Können Sie sich noch an Ihre erste Nacht darin erinnern, in dem es Ihr eigenes Haus war und Sie die Eingangstür schließen und alle anderen vergessen konnten?«
    Ein schwaches Lächeln zuckte über Jacks Gesicht, als er sich wieder ins Gedächtnis rief, wie er mit seiner geliebten Denise ihr Heim gegründet hatte.
    »Himmel, ja«, sagte er leise. »Wir hatten solchen Spaß. Wir besaßen fast gar nichts, saßen auf Kisten und aßen Pommes frites aus einer ...«
    »Denken Sie einfach an die Tatsache, dass irgendwer auch solche Erinnerungen an jedes einzelne Haus hatte, an dem Sie vorbeigekommen sind, und mit großer Wahrscheinlichkeit sind alle davon jetzt tot. Hunderte von ihnen. Millionen von ihnen.«
    »Es bringt nichts, darüber nachzudenken.«
    »Aber wir sollten darüber nachdenken. Und was ist mit den Kindern? Hatten Sie Kinder, Jack?«
    Der Angesprochene schüttelte traurig den Kopf.
    »Nein, wir wollten zwar welche, aber ...«
    »Jeder einzelne Leichnam, der da draußen auf den Straßen liegt und verrottet und jedes dieser verdammten Dinger außerhalb des Gebäudes war einmal jemand. Sie waren alle einmal der Sohn oder die Tochter von jemandem oder der Bruder oder die Schwester oder ...«
    Heath hörte wieder auf zu sprechen. Weitere Tränen quollen aus seinen müden Augen.
    »Geht’s Ihnen gut?«, fragte Jack zögernd. Heath schüttelte den Kopf.
    »Das ist das Ende«, wiederholte er. »Ich sage Ihnen, es besteht kein Zweifel, das ist das Ende.«

16
    Sonya war durch schiere physische und emotionale Erschöpfung bis zum Kollaps ausgelaugt worden. Der Medikamentencocktail, der ihr von Dr. Croft eilig eingeflößt worden war, hatte sie für den größten Teil von vier Stunden in die Bewusstlosigkeit geworfen, wodurch ihr Körper wieder ein wenig zu Kräften kommen konnte. Als sie erwachte, war es kurz nach fünf Uhr morgens und die Dunkelheit wich den ersten Strahlen des Morgenlichtes, die vorsichtig in den Raum krochen. Sie lag immer noch auf dem Bett, auf dem sie entbunden hatte. Der Leichnam ihrer Tochter lag neben ihr im Kinderbett und war in saubere weiße Laken gehüllt. Sobald sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, streckte sie die Arme aus, hob das kleine Mädchen hoch und hielt sie eng an sich gepresst, um sie sicher zu verwahren. Instinktiv, aber zwecklos wollte sie ihr lebloses Kind beschützen.
    Sobald sich Sonya bewegte, hatte sie Schmerzen, doch die körperlichen Leiden und die anderen Nachwirkungen der Geburt waren nichts im Vergleich zu den Höllenqualen, die sie in ihrer Seele litt. Sie fühlte sich hohl und leer, so als ob alles, das an ihr jemals wertvoll gewesen war, ausgekratzt und weggeworfen worden wäre. Sie fühlte sich von ihrer Umgebung losgelöst, beinahe so, als würde sie sich selbst von außen dabei beobachten, wie sie sich bewegte. Sie wusste nicht, ob ihr warm oder kalt war, ob sie sich müde oder hellwach fühlte. Es kam ihr so vor, als ob alles – ihre Fähigkeit zu kommunizieren, Entscheidungen zu treffen, zu lachen oder weinen, auf etwas zu reagieren oder sich zu verstecken – verschwunden wäre. Ihr schmerzender Körper war mit nichts weiter als unbarmherziger Qual und Gewissensbissen, die von Zorn und Bitterkeit gefärbt waren, angefüllt.
    Warum war es geschehen?
    Croft war in einem Stuhl draußen am Korridor eingeschlafen, sie konnte seine Füße durch die halb offene Tür sehen.
    Der Schmerz, den sie in sich fühlte, schien sich mit jeder verstreichenden Sekunde zu steigern. Etliche Minuten später traf Sonya zum ersten Mal, seit ihre Tochter gestorben war, bewusst eine Entscheidung.
    Sie ächzte vor Anstrengung, als sie sich aufrecht hinsetzte und ihre Beine über eine Seite des Bettes nach draußen schwang. Sie hatte starke Blutungen und musste erst abwarten, bis diese zum Stillstand kamen, ehe sie sich nach unten sinken lassen konnte. Der Boden unter ihren Füßen war hart und kalt. Sie zog

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