Herbst - Stadt
ihm hoch.
»Tut mir leid«, schluchzte sie, »ich kann’s nicht ändern. Die meiste Zeit über geht’s mir gut, aber manchmal, dann möchte ich ...«
»Was?«
Emma sah sich im Wohnmobil um und suchte nach Worten, mit denen sie ausdrücken konnte, wie sie sich fühlte.
»Ich will, dass es aufhört«, erklärte sie. »Ich will mich heute Nacht ins Bett legen, und wenn ich am Morgen aufwache, dann soll alles wieder so sein, wie es war. Und wenn das nicht möglich ist, dann will ich aufwachen und sehen, dass die Leichen weg sind und die Ungewissheit weg ist und die Angst weg ist und ...«
»Pst ...«, flüsterte er und befürchtete, dass ihre Stimme laut genug werden könnte, um von draußen gehört zu werden. »Hör zu, du weißt genauso gut wie ich, dass die einzige Sicherheit, die um uns herum herrscht, in dem Wissen liegt, dass die Dinge nie wieder so werden, wie sie gewesen sind, nicht wahr?«
Sie nickte.
»Ja, aber ...«
»Wenn das hier alles ist, was uns geblieben ist, dann werden wir das Beste daraus machen. Wir werden uns daran gewöhnen, so zu leben ...«
»Aber das ist doch kein Leben«, protestierte sie tränenreich. »Wie kannst du das Leben nennen? Um Himmels willen, das ist gerade noch eben existieren. Sieh uns an, Mike. Sieh dir an, was mit uns geschieht. Wir stinken. Wir sind schmutzig. Wir haben uns seit Wochen nicht richtig gewaschen. Unsere Kleider sind dreckig. Wir müssten uns beide die Haare schneiden lassen und du brauchst eine Rasur. Wir essen nicht anständig und bewegen uns auch nicht genügend oder ...«
»Wir kommen zurecht«, unterbrach er sie. »Und wenn es möglich ist, dann werden wir irgendwo etwas finden, wo wir leben können und wo wir uns waschen und ausruhen und unser eigenes Essen anbauen können. Wir werden neue Kleider haben und wir werden uns irgendwo einen verdammten Palast bauen, okay?«
Sie schnaufte weitere Tränen zurück.
»Okay«, gab sie zurück.
Michael starrte in ihr tränenüberströmtes Gesicht. Sie hatte Recht, was konnten sie schon tun? So weit er sehen konnte, gab es keinen unmittelbaren Weg aus der Situation, in der sie sich befanden. Sie mussten beweglich bleiben und auf einige der grundlegenden Bedürfnisse verzichten, um zu überleben. Er glaubte aufrichtig daran, dass sich die Dinge schlussendlich ändern würden, es musste so sein. Die Leichen würden mit der Zeit zu Staub zerfallen.
»Hungrig?«, fragte er und suchte nach einem Weg, um Emma von ihren düsteren und beschwerlichen Gedanken abzulenken. Sie nickte und sank in ihren Sitz zurück.
»Ein bisschen.«
»Ich besorge dir etwas.«
Sie beobachtete ihn, als er sich erhob und durch die kurze Längsseite des Wohnmobils zum schmalen Küchenbereich ging. Ihr Wagen, der ihnen als Unterschlupf diente, war zwar sicher, aber erdrückend. Sie wäre möglicherweise mit dem begrenzten Raum zurechtgekommen, wenn sie es ab und zu hätte wagen können, nach draußen zu gehen. Was das betraf, waren sie gefangen, und sie begann, das Wohnmobil zunehmend klaustrophobisch zu finden. Obwohl sie absichtlich ins Nirgendwo gefahren waren, hatten sie zum Wohle der Sicherheit jedes Fenster und jede Tür mit dicken Decken verhüllt, um jeglichen Lichtstrahl daran zu hindern, in die Dunkelheit zu sickern und ihre Anwesenheit zu verraten.
Obwohl beinahe drei Wochen vergangen waren, seit die Seuche zugeschlagen hatte, konnte sich Emma immer noch nicht daran gewöhnen, wie sich ihr Leben verändert hatte.
Sie hatte von Anfang an gewusst, dass sie vermutlich nie vollkommen mit der Verheerung und dem erlittenen Verlust zurechtkommen würde, doch da gab es andere, viel hintergründigere Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatte. Totenstill zu bleiben war anstrengender, als sie sich je vorzustellen vermocht hätte. Sie hatte es satt, bei allem ständig daran zu denken, wie viel Lärm es wohl verursachen mochte.
Michael kam zurück an den Tisch und setzte sich hin. Er trug noch mehr Kaffee und zwei Töpfe mit gefriergetrockneten Fertigmahlzeiten mit sich. Aus jedem Topf kräuselten sich Dampfschwaden nach oben in die Luft.
»Rindfleisch mit Tomaten oder süßsauer?«, fragte er.
Sie hatten einen Restposten dieser Mahlzeiten im Lagerraum eines kleinen Tante-Emma-Ladens gefunden, den sie früher in der Woche geplündert hatten. Das Essen schmeckte abscheulich, aber es war heiß, einfach zurechtzumachen und relativ nahrhaft.
»Ich mag süßsauer nicht«, gab sie zur Antwort, »aber es ist besser als Rindfleisch
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